Zweimal Freiheit und die beste Pizza der Welt, bitte

Eisgekühlte Räume, angeregte Gespräche und fröhliches Singen in munterer Runde forderten ihren Tribut: Mark G. erwachte am Samstag ohne Stimme und dafür mit einem leichten Schnupfen, weshalb er beschloss, den Vormittag im Bett zu verbringen und auf das Programm zu verzichten. Der Rest von uns machte sich gemeinsam auf zum Pier, um mit dem Schiff zur Liberty Island und danach zur Ellis Island zu fahren.

Auf der ersten Insel steht natürlich die Freiheitsstatue, die aus der Nähe noch sehr viel imposanter wirkt und immer noch das Wahrzeichen New Yorks schlechthin ist. Vor dreizehn Jahren sind wir nur mit der Fähre, die nach Staten Island führt, vorbeigefahren und haben ihr zugewunken, diesmal wollte ich sie aus der Nähe sehen. Auf der Insel selbst gibt es nicht viel zu entdecken. In einem kleinen Museum erfährt man einiges zur Geschichte des französischen Geschenks, ansonsten kann man einmal um die Dame mit der Fackel herumlaufen, um herauszufinden, welche ihre Schokoladenseite ist (meiner Meinung nach die rechte).

Es ist immer noch Hochsaison, und die Fähren zu den Inseln sind so voll wie die Flüchtlingsboote im Mittelmeer. Man muss um die besten Plätze an der Reling kämpfen und sollte sich nicht wundern, wenn man beim Fotografieren den Ellbogen des Nachbarn in die Rippen bekommt. Auf Ellis Island kamen früher die Immigranten an, die in den USA ein neues Leben beginnen wollten, und auch die Vorfahren vieler Familienmitglieder gingen hier an Land.

In der ehemaligen Halle, in der sie abgefertigt wurden, befindet sich das Einwanderungsmuseum, das seit 1990 die Geschichte der Insel aufarbeitet und die Schicksale der Menschen beleuchtet, die hier lebten und arbeiten oder mit dem Traum von Amerika und hoffnungsvollen Blicken die ersten Schritte in eine neue Zukunft unternahmen. Die große Halle mit ihrer hohen, stuckverzierten Decke ist überaus eindrucksvoll und kündet vom Reichtum einer großen Nation, die medizinischen und psychologischen Untersuchungen dagegen eher von den Tücken der Bürokratie.

Man bekommt eine vage Vorstellung davon, wie sich die Menschen, die aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen stammten, gefühlt haben mussten, als sie hier durchgeschleust, befragt, vermessen, untersucht und manchmal auch interniert wurden. Man kann auf den vielen Bildern die Unsicherheit und Angst in ihren Gesichtern lesen, weil immer die Gefahr bestand, abgelehnt und zurückgeschickt zu werden, und auf den Schautafeln sind auch einige traurige und tragische Geschichten vermerkt, über Menschen, deren amerikanischer Traum hier zerbrach.

Besonders sehenswert fand ich die oberen Geschosse, die sich mit dem Prozess der Einwanderung beschäftigten, in denen aber auch Kleidung und Alltagsgegenstände der Immigranten ausgestellt werden. Im Erdgeschoss geht es dagegen allgemein um die Gründung und geografische Ausdehnung der USA, um den Kampf gegen Spanier, Engländer, Franzosen und Ureinwohner. Man kann, wenn man genug Zeit hat, hier einen halben Tag verbringen, bevor man mit einer Fähre wieder zurück nach Manhattan fährt.

Nach einer kleinen Ruhepause ging es am Abend dann erneut an Bord eines Schiffes. Mit der Circle Line sind wir einmal rund um Manhattan geschippert, unter den Brücken durch und wieder zurück. Unterwegs konnte man die Küsten von Manhattan, Brooklyn, Queens und New Jersey vorbeiziehen sehen, großartige Architektur bewundern und beobachten, wie langsam die Sonne unterging und die zahllosen Lichter der Stadt erstrahlten. Ein magischer Abend, der vor Liberty Island sein Ende fand, wodurch sich irgendwie ein Kreis geschlossen hat.

Auf dem Weg zurück ins Hotel kam jemand noch auf die Idee, sich ein Stück Pizza zu holen, und wir schlossen uns spontan an (für einen kleinen Happen sind wir ja immer zu haben, manchmal auch für zwei oder drei). Versprochen wurde uns „die beste Pizza der Welt“, die sogar die schnöden Teigfladen in Italien in den Schatten stellen sollte. Bekommen haben wir ein fetttriefendes, versalzenes Stück Pizza, das jedem Italiener die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte. Aber das konnte den an sich sehr schönen, harmonischen Tag nicht trüben.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Mark G. und Pi Jay in La-La-Land 2023 von Pi Jay. Setze ein Lesezeichen zum Permalink.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.