Der schwedische Roman Ein Mann namens Ove von Fredrik Backman erschien vor über zehn Jahren, aber gelesen habe ich ihn nie, obwohl er einem in jeder Bahnhofsbuchhandlung geradezu aufgedrängt wurde. Dann kam ein paar Jahre später die schwedische Verfilmung in die Kinos und hatte auch bei uns eine halbe Million Besucher, doch ich war nicht dabei. Mich hat die Geschichte einfach nicht neugierig gemacht.
Wie bei vielen großen, ausländischen Erfolgen wurde auch hier das Interesse Hollywoods geweckt, und weil die Amerikaner bekanntlich keine fremdsprachigen Filme sehen, musste der Stoff neu verfilmt werden. Das Remake lief Anfang des Jahres und erreichte bei uns weniger Besucher als das Original. Nun ist der Film bei Netflix erschienen, und am letzten Tag unseres Abos habe ich endlich nachgegeben.
Ein Mann namens Otto
Otto (Tom Hanks) hat vor einem halben Jahr seine Frau verloren und will sich das Leben nehmen. Doch immer wieder wird er dabei gestört, weil er nicht von seinen Gewohnheiten lassen kann und andere Menschen wegen ihres Fehlverhaltens maßregeln muss. Da er zudem handwerklich recht geschickt und – wenn auch grummelnd – hilfsbereit ist, mögen ihn die Menschen in seiner Nachbarschaft. Vor allem die neue Nachbarin Marisol (Mariana Treviño) beansprucht ihn häufig und bricht dabei langsam Ottos Panzer auf.
Man braucht nur den Klappentext des Buchs zu lesen oder den Trailer des Films zu sehen und hat sofort eine Vorstellung davon, wie die Figuren sind und die Geschichte ablaufen wird. Zu häufig hat man schon Storys über griesgrämige alte Männer konsumiert, die von Zufallsbekanntschaften, denen sie langsam näher kommen, milde gestimmt werden. Auch Selbstmörder tauchen immer wieder in Komödien auf, sei es in Buddy Buddy oder Wilbur wants to kill himself. Nichts Neues unter der Sonne also.
Würde Otto nicht vom Publikumsliebling Tom Hanks gespielt, man würde ihn bereits nach drei Minuten hassen. Otto ist kleinkariert, besserwisserisch und unfreundlich, vom Typ ein schwäbischer Blockwart, der einem Vorträge über korrekte Mülltrennung und Parkvorschriften hält. Wir kennen alle solche Menschen. Häufig sind es Kinder, die solche Menschenfeinde langsam aufbrechen, in diesem Fall ist es eine schwangere lateinamerikanische Einwanderin, die allerdings zwei kleine Kinder zur Unterstützung hat. Zusammen mit ihrem ungeschickten, lebensuntüchtigen Ehemann sorgt sie für Abwechslung in Ottos Leben. Und weil eine hilfsbedürftige Schwangere und kleine Kinder anscheinend nicht ausreichend waren, hat man auch noch eine streunende Katze sowie einen obdachlosen transsexuellen Jugendlichen bemüht. Otto ist schließlich eine harte Nuss, die nicht so leicht zu knacken ist.
Natürlich gibt es einen triftigen Grund für seine permanent schlechte Laune: Ein schweres Trauma, das einst sein Glück zerstört und ihn aus der Bahn geworfen hat. Über die Umstände sei hier nicht viel verraten, falls es noch weitere Menschen gibt, die weder die Romanvorlage noch den schwedischen Film kennen. So psychologisch sinnvoll diese Trauma-Erzählungen sind, um eine Figur besser kennenzulernen und sie emotional zugänglicher zu machen, werden sie in letzter Zeit einfach zu häufig bemüht. Manchmal reicht auch eine Bemerkung wie die von Shirley MacLaine in Magnolien aus Stahl, dass sie seit vierzig Jahren schlecht gelaunt ist, um die Biestigkeit einer Figur zu erklären.
In diesem Fall folgt das Drehbuch von David Maggee jedoch der Romanvorlage und setzt auch auf weitere Elemente wie die verschrobenen Nachbarn oder dem Verlust des besten Freundes, der nun an Demenz erkrankt ist und Ottos Hilfe braucht. Die gesamte Geschichte ist um Otto herum episodisch aufgebaut, und weil es bei dieser Grundkonstellation auch einen Gegner gegeben muss, der noch gemeiner als Otto ist, wird eine skrupellose Immobilienfirma bemüht, die es zu bekämpfen gilt.
Die Geschichte an sich ist durchaus unterhaltsam, man kann immer wieder schmunzeln oder zumindest amüsiert den Kopf schütteln, sie ist gut gespielt und solide von Marc Foster inszeniert, wirkt insgesamt aber wie der dritte Aufguss eines bekannten Formats, was sie zugegebenermaßen ja auch ist. Auch einige Längen schleichen sich ein, was vielleicht an der über zweistündigen und damit viel zu langen Laufzeit und dem eher gemächlichen Tempo liegt. Überraschend ist, dass der Film einen gegen Ende, wenn Ottos Trauma offenbar wird, dennoch emotional berührt.
Alles in allem ist Ein Mann namens Otto solide gemachte Unterhaltung, nicht gerade originell, aber perfekt für einen launigen Abend auf der Couch.
Note: 3