„Sie ist nicht schnell, aber sie verfolgt eine Absicht.“ Es ist schon merkwürdig, was einem als erstes einfällt, wenn man den Namen eines Films oder einer Serie hört. Bei der HBO-Serie Deadwood ist es dieses Zitat, das ich in abgewandelter Form auch gelegentlich in meinem Alltag verwende. Dabei ist es kein markanter, Dialogsatz wie „I’ll be back“ oder „Ich bin dein Vater“, sondern entstammt einer nicht weiter bemerkenswerten Szene, in der eine der Hauptfiguren die überhastete Ankunft einer gehbehinderten Angestellten kommentiert. Aber sie spiegelt den besondere Sprachduktus der Serie wider und den mitunter beißenden Sarkasmus, der sich in den Dialogen niederschlägt.
Deadwood gehört zu jenen Serien, die man gerade noch zur Frühphase des sogenannten Goldenen Zeitalters des Fernsehens zählen kann, wurde 2004 gestartet und kam auf drei Staffeln. Eine Westernserie schien damals ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein, aber das dachte man bis zu Gladiator über Sandalenfilme auch, und der Erfolg gab den Machern Recht. Doch Deadwood war keine klassische Westernerzählung, sondern in weiten Strecken eine psychologische Studie über die Verwüstungen der menschlichen Seele. Geschickt wurden Westernlegenden, historische Figuren wie Wild Bill Hickok oder Calamity Jane, und historische Fakten vermischt, um ein Bild des Wilden Westens zu zeichnen, das authentischer wirkte als jenes, das im klassischen Hollywoodfilm vermittelt wurde. Was auch an der manchmal verschwurbelten Ausdrucksweise des 19. Jahrhunderts lag, die der gesamten Serie einen ungewöhnlichen Sound verlieh.
Ursprünglich war eine vierte Staffel geplant, aber nach dem Ausstieg des Serienschöpfers David Milch, den HBO beauftragte, eine Surferserie zu produzieren (die prompt gefloppt ist) verliefen die Verhandlungen im Sande. Mit dem Abriss der Kulissen war das Schicksal dann besiegelt – ähnlich wie bei Rome, das viel zu spät zum Kulthit wurde.
2019 beschloss HBO, die Serie wiederaufleben zu lassen und mit einem Spielfilm zum Abschluss zu bringen. Ist dieses Zurückgreifen auf frühere Erfolge ein Modetrend? Eine clevere Geschäftsidee, um das Interesse für ältere Produktionen neu zu wecken, Fans glücklich zu machen und vielleicht neue Zuschauer zu gewinnen? Oder ist es ein Zeichen von Ideen- und Hilflosigkeit? Das kann jeder für sich selbst entscheiden.
Deadwood – Der Film
1889 bereitet sich Deadwood auf die Feierlichkeiten zur Staatsgründung von South Dakota vor. Dazu kehrt auch George Hearst (Gerald McRaney), nun ein Senator von Kalifornien, in die Stadt zurück, in der er sich mit seinen schmutzigen Machenschaften und skrupellosen Verbrechen viele Feinde gemacht hat. Als die hochschwangere Trixie (Paula Malcomson) ihn öffentlich bloßstellt, erkennt er in ihr die Frau wieder, die ihn einst erschießen wollte und die dafür vorgeblich von Al Swearengen (Ian McShane) getötet wurde. Hearst sinnt auf Rache.
Ohne Kenntnisse von den Ereignissen in der Serie zu haben, macht das Anschauen des Films leider überhaupt keinen Sinn. Zwar werden einige geschickte Rückblenden eingebaut, um die wichtigsten Zusammenhänge zu erklären, aber nur, wenn man die Figuren kennt, kann man die Story tatsächlich begreifen – und würdigen. Doch selbst für Zuschauer, die die Serie komplett gesehen haben, ist es nach rund fünfzehn Jahren schwer, sich an die vielen Figuren und komplexen Handlungsstränge zu erinnern.
So widmet sich die erste Hälfte des Films vor allem der Vorstellung dieser Figuren und ihrer Konflikte, erzählt, wie es ihnen in den letzten Jahren ergangen ist, wie es gerade um sie steht und welche Probleme auf sie zukommen. Die zweite Hälfte handelt dann vom Kampf gegen Hearst, der sich nicht nur mit Trixie anlegt, sondern auch mit Sheriff Bullock (Timothy Olyphant) und Charlie Utter (Dayton Callie), auf dessen Land er es abgesehen hat. Dieser Teil der Geschichte ist deutlich spannender und kulminiert in einem packenden und überaus dramatischen Showdown, der aber insgesamt eher zu einem Staffelfinale gepasst hätte.
Über diesen Handlungsstrang hinaus werden noch die Schicksale verschiedener Figuren geschildert und ihre weiteren Lebensläufe angedeutet. Für etliche gibt es ein Happy End, aber nicht alle kommen mit dem Leben davon. Als Fan der Serie hätte man sich gewünscht, dass den Autoren dafür noch mehr Platz eingeräumt worden wäre, aber dann hätte der Film sicherlich über zwei Stunden gedauert.
Insgesamt ein grundsätzlich zwar überflüssiges, aber bis auf einige Kleinigkeiten (wozu man auch das etwas abrupte und nicht gänzlich überzeugende Finale zählen kann) rundum gelungenes Sequel, für das man allerdings ein guter Kenner der Serie sein muss. Und allemal besser als The Many Saints of Newark …
Note: 3+