Das Thema KI ist gerade, vor allem dank ChatGPT, in aller Munde, und manche Insider sprechen bereits von einer heraufdämmernden zweiten Industriellen Revolution. Auch der Streik der Autoren und Schauspieler in Hollywood hat teilweise mit den Möglichkeiten zu tun, die sich auf diesem Feld auftun. Wenn Studios in der Lage sind, Drehbücher mittels einer KI zu schreiben oder Schauspieler digital zu erschaffen, werden eine Menge Menschen zukünftig arbeitslos sein.
Aber die Studios sollten vorsichtig sein mit dem, was sie sich wünschen. Zwar könnten sie auf diesem Wege eine Menge Geld einsparen und müssten sich nicht mit launenhaften Künstlern herumschlagen, die es wagen, für ihre Kreativität entlohnt werden zu wollen. Aber wenn die Technik erst weiter fortgeschritten ist und es möglich wird, einen kompletten Film am eigenen Rechner zu erstellen und weltweit im Netz zu vermarkten (ähnlich wie heute Autoren auch ohne Verlage ihre Bücher unters Volk bringen können), werden sie sich vielleicht noch umschauen.
Bisher sind die kreativen Leistungen der KIs noch recht überschaubar. Sicher, sie erstellen bereits kunstvolle Fotografien und Gemälde, aber die Texte wirken noch ziemlich leblos. Das kann sich allerdings alles schnell ändern. Auf der anderen Seite wirken bereits heute manche Drehbücher, als wären sie von einer KI geschrieben worden.
Bis eine KI aber die Weltherrschaft übernimmt, sollte es noch eine Weile dauern. Manchmal wäre ich schon froh, von einem Smartspeaker eine richtige Antwort auf eine Frage zu bekommen (gefühlt bekommt man in sechs von zehn Fällen eine Antwort auf eine Frage, die man gar nicht gestellt hat) – oder überhaupt eine Antwort und nicht ein: „Das weiß ich leider nicht.“ Dass dieses Thema uns schon lange beschäftigt, ist kein Wunder, denn wenn man sich als Mensch als Krone der Schöpfung betrachtet, fürchtet man nichts mehr als den Machtverlust. Noch dazu, wenn der schärfste Konkurrent die eigene Schöpfung ist. Nennt sich Frankenstein-Syndrom.
Auf den Spuren von Terminator, der im Grunde auch nur auf den Schultern von Mary Shelley steht, wandeln in diesem Sommer gleich zwei Filme, die dadurch besondere Aktualität erlangt haben. Der eine ist The Creator und startet Ende September, den anderen habe ich mir kürzlich angesehen.
Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil Eins
Als ein russisches U-Boot sein neues, auf selbstlernender, KI-basierter Software beruhendes Tarnkappensystem testet, taucht wie aus dem Nichts ein amerikanisches U-Boot auf und greift es an. Der Kapitän schießt einen Torpedo ab, doch der Gegner verschwindet so plötzlich, wie er aufgetaucht ist, und die Waffe richtet sich auf einmal gegen sie selbst. Das U-Boot wird versenkt.
Ethan Hunt (Tom Cruise) erhält den Auftrag, einen in zwei Hälften geteilten, geheimnisvollen Schlüssel ausfindig zu machen, von dem ein Teil im Besitz einer alten Bekannten ist: Ilsa Faust (Rebecca Ferguson). Hunt gelingt dies, doch bei der Übergabe des Schlüssels an seinen Vorgesetzten Kittridge (Henry Czerny) erfährt er, dass dieser der einzige Zugang zu einer mächtigen KI ist, die sich in alle Sicherheitssysteme hacken und sämtliche Informationen kompromittieren kann. Wer sie kontrolliert, beherrscht die Welt. Weil Hunt nicht will, dass ein Staat diese Macht besitzt, will er die KI zerstören, auch wenn er sich gegen seine eigenen Leute wenden muss.
Wenn ich an die Mission: Impossible-Reihe zurückdenke, herrscht weitgehend Leere in meinem Kopf. Es gibt keinen Teil, an dessen konkrete Handlung ich mich erinnern könnte, weil diese wie in den meisten Actionfilmen völlig austauschbar ist. In der Regel geht es um geheimnisvolle Verbrecherorganisationen, Schurkenstaaten, eine weltweite tödliche Bedrohung, gerne durch Atomwaffen oder Viren, und sehr häufig um Verräter in den eigenen Reihen, die überraschend oft in den höchsten Rängen zu finden sind. Entsprechend spielt die eigentliche Story keine große Rolle, in Erinnerung bleiben meistens nur die diversen Stuntszenen.
Ikonische Szenen aus der Reihe sind vor allem Cruises Abseilaktion im ersten Teil, der ebenfalls mit dem Kampf auf dem Dach eines TGV punkten konnte. Dann kletterte der Mann mal aus dem höchsten Gebäude der Welt oder hing außen an einem startenden Flugzeug. Im neuesten Abenteuer springt er mit einem Motorrad zwar nicht aus einem Flugzeug, sondern von einem hohen Berg, und diese Szene ist tatsächlich der spektakuläre Höhepunkt des Films. Bemerkenswert ist vor allem, dass Cruise diese Stunts selbst durchführt und nichts davon CGI-kreiert ist. Dafür muss man dem Mann, so kontrovers er auch ansonsten ist, Respekt zollen.
Was ebenfalls auffällt, ist Hunts Verhältnis zu den Frauen, von denen einige unter gewaltsamen Umständen das Zeitliche segnen. Das begann schon im ersten Teil mit Emmanuelle Béarts Ermordung und setzte sich später mit Michelle Monaghan fort, die Hunts Ehefrau spielte und gleich zweimal zum Schein vor seinen Augen getötet wurde, bevor sie vernünftigerweise die Scheidung einreichte. Mit Keri Russell starb dann aber noch einer von Hunts Schützlingen. Der Mann trägt also ein schweres Trauma mit sich herum, das ihn belastet und seine Männlichkeit bedroht, schließlich konnte er die Frauen nicht retten. Auch dieses Motiv wird erneut bemüht, denn Hunts Gegenspieler Gabriel (Esai Morales), der mit der KI verbündet ist, hat vor langer Zeit die Geliebte des Agenten getötet und ihn so überhaupt erst zu dem Mann gemacht, der er heute ist. Und er hat es nun erneut auf eine Frau abgesehen, die Hunt nahe steht.
Auf Dauer ist diese Traumaerzählung allerdings auch ermüdend, denn zum einen würde man sich wünschen, den Autoren fiele einmal etwas anderes ein, um die zerbrechliche Psyche eines Mannes zu beschreiben, ohne dafür eine Frau meucheln zu müssen, auf der anderen Seite wächst dadurch zwangsläufig der Bedarf an immer neuen, zur Disposition stehenden Gefährtinnen. Im siebten Fall hat nun Grace (Hayley Atwell) das Vergnügen, Hunt hilfreich zur Seite und manchmal im Weg zu stehen. Wie einst Thandie Newton spielt Atwell eine Diebin, deren Geschick dem Agenten nützlich ist, wie Rebecca Ferguson erscheint sie auf den ersten Blick wenig vertrauenswürdig zu sein. Natürlich erliegen sie am Ende, wie bei Bond, alle dem Charme Hunts.
Apropos Agentenrivalität: Seit einigen Jahren ist die Mission: Impossible-Reihe schon so etwas wie das bessere Bond-Franchise. Während die Briten meist mit exotischen Schauplätzen und eher durchschnittlicher Action punkten, legen die Amis gerne noch ein Schippchen drauf und kreieren spektakuläre Stunts, bei denen man mit offenem Mund im Kinosessel sitzt. Vielleicht mögen die eingefleischten Bond-Fans das anders sehen, aber mir sind die Hunt-Filme angenehmer in Erinnerung geblieben.
Auch beim jüngsten Abenteuer, dem ersten Teil einer viel längeren Geschichte, wird wohl in erster Linie der Motorradsprung vom Berg in Erinnerung blieben. Als Reminiszenz an das Original (den Film, nicht die Serie) gibt es sogar einen veritablen Kampf auf dem Dach eines fahrenden Zuges und ein Wiedersehen mit alten Bekannten wie Kittridge oder der Waffenhändlerin Alanna (Vanessa Kirby). Leider haben Hunts Weggefährten Benji (Simon Pegg) und Luther (Ving Rhames) diesmal kaum etwas zu tun, brillieren aber immerhin in einer köstlichen Szene zu Beginn. Dadurch verringert sich auch der Anteil an Humor, obwohl es durchaus den einen oder anderen Lacher gibt.
Die gute Nachricht lautet also: Das siebte Abenteuer von Ethan Hunt ist genauso solide und spannend wie seine direkten Vorgänger. Doch auch leider nicht mehr. Die Actionszenen sind allesamt gut, aber nicht herausragend, da gab es selbst in diesem Jahr bessere, etwa in Tyler Rake: Extraction 2. Aber für einen über-überlangen Film hat er erstaunlicherweise keinerlei Längen. Man darf also gespannt sein, wie der Kampf gegen die böse KI weitergeht.
Zum Schluss noch ein Spoiler und eine Frage an die Leser. Wer den Film noch nicht kennt, sollte hier aufhören zu lesen.
Apropos KI: Abgesehen davon, dass das Thema zwar aktuell ist, kann man nicht behaupten, dass es auch sonderlich originell wäre. Dafür gibt es einfach zu viele Filme über finstere KIs, die sich gegen die Menschheit wenden. Und in diesem Fall muss ich sagen, dass ich ab einem gewissen Punkt die Handlung nicht mehr verstanden habe. Anfangs wird suggeriert, dass die KI eine russische Erfindung sei, die auf dem U-Boot getestet wurde, daher macht es Sinn, nach dem Schlüssel zu suchen, durch den man Zugriff auf den Speicher hat, der mit dem U-Boot untergegangen ist. Doch Kittridge offenbart gegen Ende, dass die Amerikaner die KI gegen die Russen eingesetzt haben, weshalb sie eine Version der KI und ganz sicherlich auch den Quellcode besitzen müssten. Wenn es nur darum ginge, zu verhindern, dass diese Waffe einem anderen in die Hände fällt, machte die Jagd auf den Schlüssel Sinn, aber es wird explizit gesagt, dass dies der einzige Zugang und damit die einzige Möglichkeit sei, die KI zu kontrollieren. Dies ergibt für mich keinen Sinn. Wem ging es noch so, wer hat eine bessere Erklärung oder kann mich aufklären, wo mein Denkfehler liegt? Antworten bitte im Forum.
Note: 3