Indiana Jones und das Rad des Schicksals

Alles hat einmal ein Ende. Ende Juni ist mit Indiana Jones und das Rad des Schicksals der (höchstwahrscheinlich) letzte Teil der Reihe gestartet, und die Erwartungshaltung war enorm. Doch die Kritiken waren eher verhalten, viele bezeichneten ihn als den schwächsten Teil des Franchises, und als er am Startwochenende keine Einspielrekorde brach, hieß es gleich, der Film sei ein Flop. Aber ist er das wirklich?

Ich lese nur selten Berichte über Filmstarts, da sie kaum neue Informationen für mich enthalten und oft genug schlampig recherchiert sind. Auch in diesem Fall habe ich mich über verschiedene Formulierungen geärgert, etwa, dass Das Rad des Schicksals einer der teuersten Filme aller Zeiten sei, tatsächlich ist er mit 295 Millionen Dollar „nur“ der zweitteuerste in diesem Sommer, nach Fast & Furious 10 mit 340 Millionen und dicht gefolgt vom neuesten Mission: Impossible, der nur 5 Millionen Dollar billiger war. Und hört hier jemand James Cameron lachen?

Fakt ist, dass der Film ein überdurchschnittlich hohes Budget hatte (plus eine teure Werbekampagne) und sein Geld an den weltweiten Kinokassen nicht einspielen wird. Aus der Sicht des Studios ist er wohl ein Misserfolg, ebenso übrigens wie The Flash. Aber auch Filme wie Fast & Furious 10, Transformers – Aufstand der Bestien und Arielle, die Meerjungfrau dürften am Ende der Auswertungskette nur für eine schwarze Null sorgen. Alles Flops, wie manche Medien behaupten, die gleich reißerisch das Ende der Vorherrschaft Hollywoods ankündigen?

Aus der Sicht der Kinos sind alle diese Filme Erfolge, die für volle Kassen gesorgt haben (auch wenn mancher sich vielleicht vollere gewünscht hätte). Vielleicht sollte man daher vorsichtiger sein mit dem Begriff Flop oder wenigstens sorgfältiger differenzieren. Und auch seine Erwartungshaltung überdenken.

Indiana Jones und das Rad des Schicksals

1944 versuchen Indiana Jones (Harrison Ford) und sein britischer Kollege Basil Shaw (Toby Jones), SS-Standartenführer Weber (Thomas Kretschmann) die Heilige Lanze abzujagen, die dieser in einem Zug voller geraubter Kulturgüter nach Berlin schaffen will. Doch die beiden werden gefangen genommen, und die Lanze entpuppt sich als Fälschung. Der Astrophysiker Dr. Voller (Mads Mikkelsen) hat jedoch eine bedeutendere Entdeckung gemacht: Der Mechanismus von Antikythera ist ein antikes, von Archimedes gebautes Instrument, mit dem man Risse im Raum-Zeit-Kontinuum vorhersagen kann. Indy und Shaw können es ihm abjagen, doch fünfundzwanzig Jahre später sind sowohl Shaws Tochter Helena (Phoebe Waller-Bridge) als auch Voller, der inzwischen für das amerikanische Raumfahrtprogramm arbeitet, immer noch hinter dem Gerät her.

Wer Harrison Ford bereits in Das Königreich des Kristallschädels für zu alt gehalten hat, dürfte nun beim Anblick seines greisen Körpers innerlich aufstöhnen. Überhaupt ist der Indy des Jahres 1969 ein zermürbter, gebrochener Mann, dessen Frau Marion (Karen Allen) sich von ihm scheiden lassen will und der zu viel trinkt. Auch seine Universität will ihn in den Ruhestand schicken. Die Zeit des Helden ist abgelaufen.

Dass sich der mittlerweile 80jährige Ford die Strapazen der Dreharbeiten noch einmal angetan hat, ist überaus mutig, und die vielen, vielen Drehbuchautoren, die Verlauf der Jahre an den diversen Fassungen gearbeitet haben, haben sich zumindest bemüht, dem in diversen Anspielungen und Sticheleien Rechnung zu tragen. Auf der anderen Seite gibt es noch den in den Anfangsszenen digital verjüngten Ford, der optisch überzeugen kann, ähnlich wie in The Irishman aber die Bewegungen eines deutlich älteren Mannes an den Tag legt.

Was kann man von Indys neuestem Abenteuer erwarten? Die meisten haben sich wohl ein ähnliches Vergnügen wie in den vier Filmen davor versprochen, und Regisseur James Mangold liefert es. Schon die Eröffnungssequenz im Zweiten Weltkrieg ist spannend und actionreich inszeniert, und später folgen noch einmal zwei furiose Verfolgungsjagden in New York und Tanger. Auch das Ende mit einer kniffligen Schnitzeljagd greift Motive der früheren Filme auf.

Parallelen und Anknüpfungspunkte gibt es eine Menge: Das Katz-und-Maus-Spiel mit Voller erinnert an Jäger des verlorenen Schatzes, mit Teddy Kumar (Ethann Isidore) gibt es einen jugendlichen Begleiter wie in Der Tempel des Todes, mit Helena Shaw eine weibliche Heldin, die schlagkräftiger ist als ihre Vorgängerinnen in den ersten beiden Teilen und stark an Indys Sohn Mutt erinnert, inklusive ihrer moralischen Ambivalenz. Indys Schlangenphobie wird bedient, und Anspielungen auf seine früheren Erlebnisse gibt es auch zuhauf. Für die Fans wird also eine Menge geboten.

Auf der Negativseite stehen die längeren Pausen zwischen den Actionsequenzen, die es früher nicht gegeben hätte, und die zahllosen Löcher in der Story, die es früher genauso gab. Immerhin haben die Autoren mit der astronomischen Uhr noch einen realen Gegenstand gefunden, der rätselhaft genug ist, um ihn mystisch zu überhöhen, auch wenn nahezu alles, was darüber erzählt wird, völliger Quatsch ist. Die Auflösung ist allerdings verblüffend, geradezu tollkühn in ihrer Umsetzung, wenn auch nicht schlüssig in ihren Details, da ich aber nicht spoilern will, belasse ich es hierbei.

Was man nicht erwarten sollte, ist eine Elegie. Dies ist kein Abgesang auf einen Helden, sondern ein letztes Aufbäumen. Indy erkennt zwar an, dass er müde und teilweise auch gebrochen ist, dass das Alter seinen Tribut fordert und die neue Zeit andere Herausforderungen an ihn stellt, denen er nicht mehr gewachsen ist, aber diese eine Mal widersetzt er sich noch seinem Schicksal und gibt noch einmal den Helden. Das kann man übertrieben oder sogar peinlich finden, es ist aber überzeugend in seiner Darstellung. In dieser alten Zitrone steckt noch eine Menge Saft.

Auch ist James Mangold kein Ersatz für Steven Spielberg, was man in vielen Szenen deutlich spürt. Alles ist gefälliger, weniger dramatisch, sondern eher routinierter und pragmatischer. Mangold ist ein ehrlicher Regisseur, bei dem man was für sein Geld bekommt, Spielberg ist ein Magier, der einen verführt.

Alles in allem ist der fünfte Indiana-Jones-Film eine runde Sache, die Story wie die der anderen Teile übertrieben und voller Löcher, aber auch actionreich und spannend. Indys Kampf gegen die Nazis zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Epos, und das Wiedersehen mit alten Bekannten (John Rhys-Davies sei hier noch genannt) erfreut das Herz des Fanboys. Die Schlussszene, die einen Moment des ersten Films spiegelt, ist sogar überaus anrührend. Ein würdiges Ende eines beliebten Franchises.

Note: 3+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.