Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels

Bereits 1993 gab es Pläne für eine weitere Indiana Jones-Fortsetzung, doch die eingereichten Ideen konnten weder George Lucas noch Steven Spielberg überzeugen, und so wurde das Projekt auf Eis gelegt. Die Fans konnten sich in der Zwischenzeit mit der Fernsehserie Die Abenteuer des jungen Indiana Jones begnügen sowie mit über vierzig Romanen, in denen seine Abenteuer fortgesponnen wurden. In beiden Medien kamen übrigens auch die Kristallschädel vor.

Als der Film dann 2008 in die Kinos kam, waren die Reaktionen darauf relativ verhalten. Viele störten sich an einige lächerlich übertriebene Momente (wodurch der Begriff nuking the fridge in die Filmsprache einging) und vor allem das Raumschiff am Ende. Dabei hatten auch die ersten Teile des Franchises ihre „Kühlschrank-Momente“ (wie überlebt Indy beispielsweise außerhalb des deutschen U-Boots die Reise auf die griechische Insel in Jäger des verlorenen Schatzes?), und übersinnliche Ereignisse gab es ebenfalls in allen Teilen.

Inzwischen ist viel Zeit vergangen, und wir allen konnten uns wieder beruhigen. Vielleicht hat sich der eine oder andere auch noch einmal die alten Filme angesehen und sich mit den Aliens im vierten Teil versöhnt.

Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels

Indiana Jones (Harrison Ford) und sein Kollege Mac (Ray Winstone) werden von der KGB-Agentin Spalko (Cate Blanchett) entführt und auf die Area 51 gebracht. Dort soll Indy nach den Überresten des UFO-Absturzes von Roswell suchen, die er im Auftrag der Regierung vor rund zehn Jahren untersucht hat. Die Russen stehlen die Artefakte, doch Indy kann entkommen (indem er sich auf einem Atombombentestgelände versteckt und im Kühlschrank eine Atomexplosion überlebt). Doch der amerikanische Geheimdienst, durch die McCarthy-Hysterie verunsichert, hält Indy für einen potenziellen russischen Agenten. Er verliert seine Professur. Als er das Land verlassen will, taucht der junge Mutt Williams (Shia LaBeouf) auf, der auf der Suche nach zwei alten Bekannten von Indy ist: Professor Oxley (John Hurt) und Marion Ravenwood (Karen Allen).

Schon damals wurde Harrison Ford vorgeworfen, mit Mitte sechzig zu alt für die Rolle des Abenteurers zu sein, was er konterte, indem er die Macher anwies, sich ruhig über sein fortgeschrittenes Alter lustig zu machen. Deshalb wurde auch bereits eine Art Staffelübergabe vorbereitet, indem mit Mutt, der sich als Indys Sohn entpuppt, ein Nachfolger aufgebaut wurde. Am Ende des Films greift dieser zwar selbstbewusst nach Indys Hut, den dieser ihm aber – noch nicht – überlässt. Damit schien die neue Konstellation festgeschrieben zu sein: Shia LaBeouf tritt zwar in Fords Fußstapfen, dieser bleibt dem Franchise aber noch eine Weile erhalten. Vielleicht in einer ähnlichen Rolle wie sie Sean Connery in Der letzte Kreuzzug gespielt hat.

Apropos Connery: Es ist überaus schade, dass dieser weder für Geld noch gute Worte aus dem Ruhestand zurückkehren wollte, um noch einmal Indys Vater zu spielen. Das hätte die Geschichte sicherlich enorm aufgewertet. Aber auch so ist die dysfunktionale Familie mit das Beste am Film. Das liebevolle Necken und Sticheln, die wiederaufflammenden Gefühle zwischen Marion und Indy, die zögerliche Annäherung zwischen Vater und Sohn, das alles funktioniert gut, hätte aber durchaus mehr Substanz vertragen. Warum das Paar damals auseinanderging, wird beispielsweise nicht zufriedenstellend erklärt. Aber der liebevolle Respekt, den auch andere Figuren der Reihe erfahren, spricht insgesamt für den wertschätzenden Umgang der Macher mit ihrem Werk.

Die Indiana-Jones-Filme waren immer eng mit der amerikanischen Geschichte verbunden, in den ersten drei Teilen, die in den Dreißigerjahren spielten, vor allem mit dem (freilich vorweggenommenen) Kampf gegen Nazi-Deutschland. Mit einem Setting in den späten Fünfzigern brauchte es neue Schurken, und da sind die Russen natürlich naheliegend. Mit Cate Blanchett gibt es eine exzellente Gegenspielerin, die wie Ninotschkas böse Schwester agiert und Indy und seinen Helfern arg zusetzt. Und mit Mac wird ein Trickster-Charakter eingeführt, dessen Loyalität man sich nie sicher sein kann. Dazu passt perfekt die Hysterie des McCarthy-Untersuchungsausschusses, der überall kommunistische Umtriebe witterte und dem sogar ein patriotisches Urgestein wie Indy zum Opfer fällt, während gleichzeitig die Regierung zulässt, dass der KGB in einen seiner geheimsten (allerdings ungeheuer schlecht gesicherten) Militärkomplexe eindringen kann.

In der zweiten Sichtung fällt auch die Story mit den Aliens nicht mehr so unbehaglich unpassend auf, wird sie doch schon in den ersten Minuten etabliert und zieht sich dann wie ein roter Faden durch die Geschichte. Auch waren UFO-Sichtungen, Verschwörungstheorien rund um Roswell sowie ein allgemeines Interesse an dieser Thematik Teil des Zeitgeists der Fünfziger. Das Buch von David Koepp (nach einer Story von George Lucas und Jeff Nathanson) trifft damit erneut den Ton der ersten Filme und schafft es, sowohl die Figuren wie auch die Handlung in die neue Zeit zu transportieren, ohne den Geist der Vorgänger zu verraten.

In der Darstellung wirkt einiges zwar klischiert, etwa Mutts Aussehen und Auftreten als blasser Marlon-Brando-Verschnitt, aber Ausstattung, Kostüme und Szenenbild können sich ansonsten sehen lassen. Die Geschichte verheimlicht auch in keiner Sekunde, dass sie in erster Linie eines sein will: Ein großer Spaß. Und dankenswerterweise nimmt sie sich dabei selbst nicht so ganz ernst.

Das Tempo ist von Anfang an flott, und eine Actionsequenz reiht sich an die nächste. Vieles dabei ist leider unlogisch (wenn die Russen zuerst mit einem Spezialfahrzeug eine Schneise durch den Dschungel fräsen, nach dessen Zerstörung aber plötzlich ein so breiter Weg parat steht, dass gleich zwei Autos nebeneinander darauf fahren können), und es gibt auch etliche obskure Einfällen (wie die Feuerameisen). Von anderen Logikfehlern oder Widersprüchen ganz zu schweigen. Aber, wenn man ehrlich ist, gab es diese bereits in Teil 1 bis 3, wenn auch in einem geringerem Maße. Vielleicht rührt der Unmut der Zuschauer diesmal daher, dass sich die Sehgewohnheiten verändert haben und vieles, was früher durchgegangen wäre, heute skeptischer gesehen wird? Oder vielleicht hat Spielberg es diesmal auch einfach nur übertrieben.

Das größte Manko ist nach wie vor der Showdown, in dem Indy und seine Gefährten zwar reichlich Abenteuer zu bestehen haben und einige kniffligen Rätsel lösen müssen, der finale Kampf aber recht einfalls- und ereignislos ausfällt. Daraus hätte man sicherlich noch mehr machen können.

Insgesamt bietet der vierte Teil eine Menge Unterhaltung, eine beeindruckende und spielfreudige Cast und jede Menge Humor, da fallen die negativen Aspekte kaum noch ins Gewicht.

die neue Note: 3+

Für alle, die es interessiert, hier noch meine alte Kritik:

Indy ist zurück. Als Nicht-Fan der Reihe hielten sich meine Erwartungen in Grenzen, aber ich war natürlich neugierig, ob es Spielberg und Lucas gelingen würde, dieses Abenteuer-Vehikel unbeschadet ins 21. Jahrhundert zu transportieren. Es ist.

Die Geschichte ist natürlich wieder einmal ein totaler Schmarren und strotzt vor Widersprüchen und logischen Schwächen, manche Szenen funktionieren nur, wenn man viel guten Willen und ein geradezu kindliches Gemüt mitbringt, aber irgendwie spielt das keine Rolle, da das Ganze ungeheuer viel Spaß macht. Der Film ist pures Popkornkino, gespickt mit unzähligen Anspielungen auf Klassiker der Filmgeschichte (besonders der Fünfzigerjahre) und liebevoll in den ausgeblichenen Technicolorfarben einer längst vergangenen Ära inszeniert. Cate Blanchetts Russin erinnert an die Garbo, Shia LaBeoufs jugendlicher Draufgänger Mutt an Marlon Brando, als er noch ein Rebell war. Harrison Ford macht es augenscheinlich großen Spaß, wieder den zynischen, Peitsche schwingenden Archäologen zu geben, ist aber – und die letzte, großartige Einstellung beweist es – noch lange nicht bereit, den Stab an die nächste Generation weiterzugeben.

Noch mehr als seine Vorgänger ist der Film eine Huldigung an den klassischen Abenteuerfilm, er lebt von seinem Witz, seinem Charme und seinen gut aufgelegten Schauspielern. Wen interessiert da schon die Geschichte?

Note: 2-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.