Indiana Jones und der letzte Kreuzzug

Die Crux mit Filmen dieser Art, die hauptsächlich auf ihre Schauwerte und spektakuläre Action reduziert werden, ist, dass man mit jedem neuen Teil der Reihe noch eine Schippe drauflegen muss. Das zweite Problem, das sich bei der Sichtung in einem kurzen Zeitfenster offenbart, ist, dass sie sich ungeheuer ähneln. Bereits nach dem dritten Abenteuer verschwimmen meine Eindrücke der Trilogie zu einem einzigen, turbulenten Film.

Immerhin hielt die Eröffnungsszene eine angenehme Überraschung parat. Schon beim ersten Bild dachte ich: Nanu, die Landschaft kenne ich doch! Die Aufnahmen aus dem Arches-Nationalpark weckten jedenfalls schöne Erinnerungen an unsere Wanderungen dort.

Indiana Jones und der letzte Kreuzzug

Schon als Jugendlicher hat Indiana Jones (River Phoenix) einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und eine Leidenschaft für altertümliche Gegenstände. Auf einem Ausflug mit seiner Pfadfindertruppe stellt der Junge eine Gruppe von Raubgräbern und jagt ihnen ein antikes Kreuz ab. Seinen Vater Henry (Sean Connery) beeindruckt dies jedoch kein bisschen, und die Räuber nehmen Indy das Kreuz mit Hilfe eines Sheriffs wieder ab. Erst 1938 gelingt es Indy (Harrison Ford), es endgültig an sich zu bringen.

Zurück in seiner Universität, erfährt der Archäologe, dass sein Vater, der im Auftrag des Millionärs Walter Donovan (Julian Glover) nach dem Heiligen Gral gesucht hat, spurlos verschwunden ist. Der einzige Hinweis auf seinen Verbleib ist sein Tagebuch, das Henry ihm aus Venedig zugeschickt hat.

Indiana Jones ist der berühmteste Archäologe der Filmgeschichte, aber bei näherer Betrachtung vollkommen ungeeignet für diesen Job, denn sein Umgang mit Altertümern ist alles andere als fachgerecht und seine Reputation eher zweifelhaft. In Jäger des verlorenen Schatzes betätigt er sich als Raubgräber, der einen Tempel plündert, um das gestohlene Kulturgut in die USA zu entführen, in Der Tempel des Todes beteiligt er sich sogar am illegalen Kunsthandel, und in Der letzte Kreuzzug zerstört er bedenkenlos jahrhundertealte Relikte.

Nach der Bundeslade und einem obskuren indischen Stein ist nun der Heilige Gral der MacGuffin, dem alle nachjagen, und wieder ist es ein Objekt mit übernatürlichen Eigenschaften, in diesem Fall verspricht ein Schluck daraus Unsterblichkeit. Kein Wunder, dass ein amerikanischer Millionär und die Nazis alles versuchen, ihn in die Finger zu bekommen.

Im Grunde spielt es aber keine Rolle, wonach die Figuren suchen, denn die Geschichte lebt allein von der wendungsreichen Schnitzeljagd. Wie im ersten Teil ist es ein Katz-und-Maus-Spiel, das sich Indy mit den Nazis liefert, die erneut veritable Bösewichte abgeben. Diesmal werden sie noch um einen zwielichtigen Millionär und eine Frauenfigur ergänzt, die aus einem Film Noir stammen könnte. Dr. Elsa Schneider (Alison Doody) ist eine österreichische Archäologin, die Indy um den kleinen Finger wickelt, obwohl ihr good bad girl praktisch auf die Stirn geschrieben steht. Hier wendet sich einmal der Chauvinismus der Figur gegen ihn, wenn auch unbeabsichtigt.

Das Pfund, mit dem das Skript von Jeffrey Boam, wie immer nach einer Idee von George Lucas und darüber hinaus von Menno Meyjes, wuchern kann, ist die Figur des Henry Jones, den Sean Connery herrlich als verknöcherten, leicht weltfremden Gelehrter verkörpert und damit sein James-Bond-Image karikiert. Im ständigen Schlagabtausch mit seinem Sohn holt er den Helden Indiana Jones vom Sockel und macht zum ersten Mal in der Reihe einen Menschen aus ihm. Man erfährt in der turbulenten Eröffnungssequenz sogar einiges über seine Jugend, wie er zu seinen Markenzeichen Hut und Peitsche gekommen ist oder woher die Narbe an seinem Kinn oder seine Schlangenphobie stammen. Indy, den sein Vater hartnäckig Junior nennt, offenbart dadurch viel von seinem Innenleben, seinem ständigen Konkurrenzkampf mit dem Senior, der nie für ihn Zeit hatte und ihn wahrscheinlich auch nie für seine akademischen Erfolge gelobt hat. Indy als vernachlässigtes Kind, das das Abenteuer sucht.

Es ist diese sorgfältige und psychologisch stimmige Figurenzeichnung, die neben dem Humor und der tempo- und wendungsreichen Action den Film zum bis dato besten Teil der Reihe macht. Da fällt es kaum ins Gewicht, dass die Hürden, die der Held im Finale überwinden muss, weniger spektakulär und einfallsreich ausfallen als in den Vorgängern.

Alles in allem ein unterhaltsames, actionreiches Spektakel mit viel Humor und sogar emotionalen Momenten.

Note: 3+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.