Ende Juni ist Indiana Jones und das Rad des Schicksals in die Kinos gekommen, der fünfte und vermutlich letzte Teil des Franchises. Zumindest aber der letzte mit Harrison Ford, der Hut und Peitsche an den Nagel hängen will, was nicht zwangsläufig bedeuten muss, dass das Studio die Reihe nicht irgendwann neu beleben wird.
Als der erste Teil in die Kinos kam, war ich zu jung, um ihn sehen zu dürfen, weshalb ich erst Anfang der Neunziger zusammen mit einer Gruppe Freunde alle Filme auf Video geschaut habe – an drei aufeinanderfolgenden Abenden (und peinlicherweise in falscher Reihenfolge). Ich kann nicht sagen, dass sie damals großen Eindruck auf mich gemacht hätten, mit Ausnahme des dritten Teils, den ich als launig in Erinnerung habe. Ein Fan war und bin ich jedoch nie geworden.
Doch die Indiana-Jones-Filme gehören fest zur Popkultur, und anlässlich des Abschlusses des Franchises hat sich eine Neusichtung angeboten. Diesmal sogar in richtiger Reihenfolge.
Jäger des verlorenen Schatzes
1936 sucht der berühmte Archäologe Indiana Jones (Harrison Ford) in einem südamerikanischen Tempel nach einer goldenen Statue, die er unter Einsatz seines Lebens bergen kann, bevor sie ihm sein französischer Widersacher Belloq (Paul Freeman) mit Gewalt entreißt. Einige Wochen später wird Indy von zwei Mitarbeitern des amerikanischen Geheimdienstes beauftragt, die Bundeslade sicherzustellen, nach der die Nazis gerade in Ägypten suchen und die eine mystische Waffe sein könnte. Dafür braucht Indy jedoch den Stab des Re, dessen Kopfstück im Besitz von Marion Ravenwood (Karen Allen) ist, der Tochter seines früheren Mentors, mit der er einst liiert war. Doch Marion ist immer noch sauer, weil er sie verlassen hat. Erst als die Nazis auftauchen und ihr das antike Stück entwenden wollen, lässt sie sich auf einen Pakt mit Indy ein. Die beiden reisen gemeinsam nach Ägypten, wo sie erneut auf Belloq treffen, der inzwischen für die Nazis arbeitet.
Indiana Jones ist ein geistiges Kind von George Lucas, der sich bei dieser Figur vom klassischen Abenteuerfilm der Dreißiger- und Vierzigerjahre sowie vom britischen Kolonialroman inspirieren ließ, nur läuft der Held nicht mit Tropenanzug und -helm herum, sondern erinnert eher an eine Mischung aus Cowboy und Gangster. Entsprechend nimmt Regisseur Steven Spielberg in seiner Inszenierung auch Anleihen den Western und Film Noir. Herauskommt eine faszinierende Melange, wie sie nur das Popkornkino Hollywoods zusammenrühren kann, die allerdings auch gleich doppelt aus der Zeit gefallen ist, denn die Produktion hat inzwischen bereits 42 Jahre auf dem Buckel, und das merkt man ihr zumindest in ihrer Bildsprache auch an. Immerhin ist das Tempo flott genug, um auch heutigen Sehgewohnheiten zu genügen.
Schon der Auftakt im Dschungel Südamerikas zeigt, dass der Film seine Geschichte nicht allzu ernst nimmt. Und auch als Zuschauer sollte man seinerseits nicht alles ernst nehmen, etwa dass manche Fallen im Tempel von einer Art Lichtschranke ausgelöst werden, oder man sollte zumindest nicht zu genau darüber nachdenken. In erster Linie geht es nicht um präzise Logik oder historische Akkuratesse (wovon auch die Unbekümmertheit der Kostümdesigner kündet), sondern um Unterhaltung. Und unterhaltsam ist der Film.
Der Einfluss des Films auf die Popkultur ist nicht zu unterschätzen. Manche Details, wie die Riesenkugel, vor der Indy fliehen muss, oder das Austauschen eines Beutels mit Sand gegen die gesuchten Götzenfigur, werden in anderen Filmen und Serien aufgegriffen oder variiert. Auch die diversen Fallen wird man später noch häufiger sehen. Als Abenteuerfilm ist Jäger des verlorenen Schatzes wegweisend.
Die Produktion ist jedoch auch eine reine One-Man-Show, die nur einen Helden kennt und alle anderen zu Nebenfiguren degradiert, die meistens Stereotype sind. Da ist Alfred Molina (in seiner ersten Filmrolle) als betrügerischer südamerikanischer Einheimischer, die dämonisierten Knallchargen-Nazis oder Belloq, der im Moment seines Triumphs ein albernes Schurkenlachen ausstößt und ansonsten, er ist ja Franzose, nur hinter den Frauen her ist. Apropos, das Frauenbild des Films ist problematisch (was, wenn ich mal spoilern darf, im zweiten Teil noch gesteigert wird).
Marion ist meistens das klassische Fräulein in Not, das von Indy gerettet werden muss. Dabei wird sie recht interessant als selbstbewusst, trinkfest und willensstark eingeführt, was beweist, dass der Autor Lawrence Kasdan sich immerhin Mühe gegeben hat, die Figur an den starken Frauen des klassischen Zeitalters anzulehnen. Leider kollidiert sein Bemühen mit dem Chauvinismus, gegen den auch ein Indy nicht gefeit zu sein scheint.
Dass der Film ein Kind seiner Zeit ist, merkt man auch an den zum Teil überaus brutalen Szenen, durch die der Film damals eine FSK-16-Bewertung erhalten hat. Aber sind es nicht gerade die harten Kämpfe, bei denen Indy stets den Kürzeren zu ziehen scheint, bevor er mit Einfallsreichtum, aber auch mit großer Härte, sogar Grausamkeit seine Gegner besiegt, die die Herzen der männlichen, jugendlichen Zuschauer gewonnen haben? Erinnert sei nur an die Szene mit dem Schwertkämpfer, den Indy kaltblütig und sogar verächtlich niederschießt, damals ein Lacher und entstanden, weil das Budget für einen veritablen Schwertkampf fehlte, in der Retrospektive nicht unproblematisch in der Darstellung. Heute würde man sicherlich familientauglicher inszenieren und mehr auf Humor setzen.
Die Geschichte selbst ist erstaunlich dünn. Indy liefert sich den gesamten Film über ein Katz-und-Maus-Spiel mit Belloq und den Nazis, es ist ein Wettrennen um die Bundeslade, gefolgt von den Versuchen, sie sich gegenseitig abzujagen, und Indy scheint immer zu verlieren. Das bietet Gelegenheit für wilde Verfolgungsjagden zu Lande und zu Wasser, für spannende Kämpfe und aussichtslose Situationen, aus denen der Held sich befreien muss.
Über all die Action werden die Figuren beinahe vergessen. Man erfährt beispielsweise nichts über Indiana Jones, das über einige oberflächliche oder anekdotische Informationen hinausgehen würde. Immerhin seine Schlangenphobie wird ausführlich behandelt, aber nur, wenn er mit ihr konfrontiert wird, was den Mann jedoch unter seinem Hut bewegt, bleibt sein Geheimnis. Indy ist insofern wie James Bond, ein starrer, unveränderlicher und unwandelbarer Charakter, wodurch dem Film auch nichts anderes übrig bleibt, als auf blanke Action zu setzen.
Es ist schade, dass der Film ausgerechnet mit den stärksten und amüsantesten Szenen beginnt und mit den schwächsten und langweiligsten endet. Vor allem das Finale, in dem Indy zu einer passiven Rolle verdammt ist und nichts zur Rettung der Welt beiträgt, ist ziemlich enttäuschend, fast schon ärgerlich. Dazu gibt es übrigens eine unterhaltsame Sequenz aus Big Bang Theorie. Es ist erstaunlich, dass den Machern hier nichts Besseres eingefallen ist, als sich komplett ins Reich des Fantastischen zu verabschieden.
Alles in allem trotz des Alters ein vergnüglicher, stellenweise etwas zu brutaler, aber durch und durch unterhaltsamer Abenteuerfilm.
Note: 3