Ghosted

Apple+ hat, verglichen mit anderen Streamingdiensten, ein eher überschaubares Programm, besticht dafür aber mit besonderer Qualität. Einige der besten Serien der letzten Jahre habe ich auf Apple+ entdeckt, und dass sie mit dem Remake Coda sogar bei den Oscars abgeräumt haben, beweist, dass sie auch ein Händchen für Filme haben. Ende April ist Ghosted erschienen, eine Actionkomödie, die einen so frischen, witzigen Trailer hatte, dass ich mir den Film anschauen musste.

Ghosted

Cole (Chris Evans) ist ein studierter Landwirt, der seiner Familie auf der Farm hilft und regelmäßig auf dem Wochenmarkt am Rand von Washington steht. Dort trifft er eines Tages Sadie (Ana de Armas), eine vielgereiste Kuratorin, und zwischen den beiden funkt es auf Anhieb. Doch nach einer intensiven gemeinsamen Zeit bricht Sadie den Kontakt ab. Cole ist frustriert und versucht, sie wiederzusehen, dafür reist er sogar nach London, wo er prompt entführt wird. Denn Sadie ist eigentlich eine Top-Agentin der CIA, und Cole gerät ins Visier ihres Gegners (Adrien Brody).

Im Gegensatz zu Netflix, die so gut wie nie einen vernünftigen Trailer zustande bekommen, selbst wenn ihr Überleben davon abhinge, engagiert Apple+ anscheinend die richtigen Leute. Denn der Trailer zu Ghosted enthält eine Menge witziger Momente und deutet nur wenig über die Geschichte an. Was ein Glück ist, denn die Story ist furchtbar.

Es beginnt mit stereotypen Figuren: Cole ist ein übertriebener Romantiker, den selbst seine Schwester als übergriffig und creepy bezeichnet. Er schickt Sadie nach der gemeinsamen Nacht unzählige Nachrichten und wundert sich dann, dass sie ihn ghosted. Sie wiederum ist schlecht darin, Beziehungen zu pflegen und aufrecht zu erhalten, weshalb sie ausgerechnet an einer Zimmerpflanze üben will. Als sie Cole jedoch von ihren Problemen erzählt, will er ihr, aus Sorge um das Gewächs, keine verkaufen, woraus sich ein Streit entspinnt, von dem man schwören könnte, dass man ihn genau so schon mal in einem Film gesehen hat. Oder in vielen Filmen.

Nicht weniger als vier Autoren sind für das Drehbuch verantwortlich, und unwillkürlich muss man dabei an das Sprichwort mit den zu vielen Köchen denken. Immerhin gerät die Geschichte nach einem eher mäßigen, ungelenken und sperrigen Anfang mit der Entführung von Cole in sicherere Fahrwasser. Aus der papierenen RomCom wird ein solider Actionfilm mit einer beeindruckenden Verfolgungsjagd im pakistanischen Gebirge und einer Menge Humor. Dass der beliebte Captain America-Darsteller Chris Evans hier einen kampfunerfahrenen Normalo spielt, der von seiner knallharten Herzensdame immer wieder aus einer brenzligen Situation gerettet werden muss, macht dabei einen Großteil des Charmes aus.

Die eigentlichen Spionagestory fällt dann wieder recht dürftig aus, es geht um eine gefährliche Waffe, die in die falschen Hände geraten ist und zurückgeholt werden muss. Schnarch! Nichts an dieser Geschichte, den Bösewichtern oder dem Ablauf der Ereignisse ist auch nur irgendwie originell, aber der Film wird solide von Dexter Fletcher ins Szene gesetzt. Nur der Showdown lässt ein klein wenig zu wünschen übrig.

Nach dem tollen Trailer waren die Erwartungen an den Film möglicherweise zu hoch, aber wer nach einer launigen Actionkomödie sucht, kommt hier durchaus auf seine Kosten.

Note: 3-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.