Viele meiner Lieblingsschriftsteller sind weiblich und, abgesehen von Jane Austen und Elizabeth Gaskell, zeitgenössische Autorinnen. An erster Stelle würde ich Kate Atkinson nennen, aber auch Anne Tylor oder Hilary Mantel stehen hoch im Kurs. Vor einiger Zeit habe ich Die Interessanten der Bestsellerautorin Meg Wolitzer gelesen, die Geschichte einer Gruppe von Freunden über mehrere Jahrzehnte hinweg, die gleichzeitig ein Bild auf das heutige Amerika wirft, und damals dachte ich mir, dass es sicherlich noch mehr von ihr zu entdecken gibt.
Vor ein paar Jahren ist ein weiteres ihrer Bücher verfilmt worden, Glenn Close war dafür für den Oscar als beste Hauptdarstellerin nominiert, aber ich bin erst jetzt dazu gekommen, ihn mir anzuschauen.
Die Frau des Nobelpreisträgers
Als 1992 der amerikanische Schriftsteller Joe Castleman (Jonathan Pryce) erfährt, dass er den Nobelpreis für Literatur gewinnen wird, tanzt er vor Freude zusammen mit seiner Frau Joan (Glenn Close) auf dem Bett. Auf der Reise nach Stockholm bedrängt ihn erneut Nathaniel Bone (Christian Slater), ihm für eine geplante Biografie in Interviews Rede und Antwort zu stehen, doch der sonst so selbstverliebte Joe lehnt ab. Dafür trifft sich Joan mit dem Autor, der ihr eröffnet, dass er ihrem Geheimnis auf der Spur ist: Nicht ihr Mann, sondern sie ist die Verfasserin der preisgekrönten Romane.
Eine vielsagende Szene ist jene eingangs beschriebene, in der Joe und Joan auf dem Bett tanzen. Als Joe immer wieder ruft: „Ich bekomme den Nobelpreis!“ verliert seine Frau schlagartig jede Freude. Verständlich wird diese Reaktion erst später, als dieser Moment in einer Rückblende gespiegelt wird: 1960 veröffentlicht Joe seinen ersten Roman, den Joan von Grund auf überarbeitet und im Grunde neu geschrieben hat, doch damals ruft er: „Wir werden veröffentlicht!“
Die Frau des Nobelpreisträgers ist ein Film über eine Ehe und eine geschäftliche Partnerschaft, man könnte fast schon von einer Komplizenschaft sprechen, die von Anfang an auf Betrug aufgebaut ist. Joan lernt Joe kennen, als sie bei ihm Literatur studiert. Die beiden verlieben sich, obwohl er verheiratet und gerade Vater geworden ist, und beide geben für diese Beziehung vieles auf. Joe verlässt seine Familie und die Universität, Joan gibt dafür ihre Ambitionen auf und widmet sich ausschließlich ihrem Mann und seiner Karriere.
Die große Frage, die sich stellt, ist die nach ihrem Motiv. Auch Anfang der Sechzigerjahre gab es erfolgreiche Schriftstellerinnen, die sich nicht mehr wie im neunzehnten Jahrhundert hinter männlichen Pseudonymen verstecken mussten. Aber Joan traut sich diesen Schritt nicht zu, sie ist zu schüchtern, zu wenig selbstbewusst, um sich in dieser Domäne durchsetzen zu können. Daher sieht sie ihre beste Option darin, im Schatten ihres Mannes zu stehen, seine Bücher zu schreiben und zuzusehen, wie er dafür gefeiert wird.
Der Erhalt des Nobelpreises reißt jedoch die Wände ihrer Welt ein, und mit einem Mal wird Joan mit den Konsequenzen ihrer Entscheidungen konfrontiert. Man kann sich dies gut als Roman vorstellen, in dem Schicht für Schicht das Empfinden seiner Hauptdarstellerin enthüllt wird, in dem auch die Ehe von Joe, der seiner Frau ständig untreu war, und Joan seziert wird. Dabei ist Joan kein bedauernswertes Opfer der Umstände, denn sie macht sich keinerlei Illusionen über ihren Mann, sondern nimmt jeden Schmerz, jede Demütigung hin und verwandelt sie in Kunst.
Als Film funktioniert diese Geschichte jedoch nur zum Teil. Die Drehbuchautorin Jane Anderson gelingt ein vielschichtiges Porträt einer alternden Beziehung, dringt jedoch nicht so tief in ihre Figuren ein, wie es einer Romanautorin möglich wäre. Close und Pryce zeichnen treffende Bilder ihrer Figuren, die vor allem von Nuancen und Details geprägt sind, alles durchaus sehenswert und präzise, was aber in der Summe nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die Geschichte sehr dünn ist. Das Geheimnis, das die beiden Hauptfiguren seit Jahrzehnten hüten, wird dem Zuschauer bereits zu Beginn offenbart, und danach geht es im Grunde nur noch darum, die Gründe für das Verhalten der Eheleute zu verstehen. Aber auch das wird schnell abgehandelt, der Rest ist ein langes Warten auf den unvermeidlichen großen Knall.
Interessanterweise ist im selben Jahr wie Die Frau des Nobelpreisträgers ein französischer Film namens Mr & Mrs Adelman erschienen (bei uns bekannt als Die Poesie der Liebe), der eine sehr ähnliche Story erzählt – vielleicht nur ein Zufall, vielleicht haben die Franzosen sich auch bei Meg Wolitzers Roman bedient – und der um einiges gelungener ist.
Note: 3-