Zu behaupten, der Film stand rund zehn Jahre lang auf meiner Watchliste, ist vielleicht ein bisschen übertrieben. Tatsächlich hatte ich 2012, als er in unseren Kinos lief, Gutes über den kanadischen Film gehört, ihn aber verpasst und auch später nicht nachgeholt. Vielleicht habe ich das US-Remake Der Lieferheld – Unverhofft kommt oft gesehen, bin mir aber nicht mehr sicher. Seit einiger Zeit taucht das Original immer wieder bei den Streamern auf, war aber jedes Mal, wenn ich Lust hatte, ihn zu sehen, nicht verfügbar, zumindest nicht kostenlos, und so wichtig war er mir nicht, dass ich ihn gemietet oder gar gekauft hätte.
Doch jetzt hat sich endlich die Gelegenheit geboten. Der Film ist aktuell bei Prime Video und Joyn zu sehen.
Starbuck
David (Patrick Huard) arbeitet als Fahrer für die Fleischerei seiner Familie, ist mit der Polizistin Valérie (Julie de Breton) liiert und hat eine Menge Schulden bei kriminellen Geldverleihern. Auch sonst bekommt David nichts auf die Reihe, die Idee, heimlich Marihuana anzubauen, scheitert, und sein Vater und seine Brüder halten ihn für einen Versager. Eines Tages erfährt David jedoch, dass er – als eifriger Samenspender in jungen Jahren – Vater von 533 Kindern ist und 142 davon ihn kennenlernen wollen. Das kommt für ihn nicht in Frage, weshalb er seinen besten Freund und Anwalt einschaltet, um seine Anonymität zu wahren. Doch dann beginnt David, sich einige seiner Kinder näher anzuschauen und ihnen zu helfen.
Der Anfang der Geschichte ist holperig. David ist ein Stoffel, ein Pechvogel, der zumeist selbst an seinem Unglück Schuld ist, und damit nicht gerade sympathisch. Seine diversen Pannen und Missgeschicke werden so dick aufgetragen, dass jeglicher Humor im Keim erstickt wird, und man kann es keinem verdenken, der nach den ersten albernen zwanzig Minuten ausschaltet. Nur verpasst er dann das Beste.
Natürlich ist selbst dem unaufmerksamsten Zuschauer schnell klar, dass David so nicht weitermachen kann, dass er sich verändern und verantwortungsbewusster werden muss. Dazu passt gut Valéries Schwangerschaft, verkörpert sie doch zuverlässig die Notwendigkeit zum charakterlichen Wandel. Der Clou ist jedoch, dass David bereits Vater ist, ohne es zu wissen, sogar ganze 533 Mal. Damit könnte er sogar im Guinness Buch der Rekorde landen.
Regisseur Ken Scott, der zusammen mit Martin Petit auch das Drehbuch schrieb, nutzt die Übertreibung der Komödie, ohne sie glücklicherweise auf die Spitze zu treiben. Mit der Entdeckung der hundertfachen Vaterschaft geht ein Wechsel der Tonalität einher, der dem Film ungemein gut tut. David hat einen Stapel mit Biografien von all seinen Kindern bekommen, die ihn kennenlernen wollen, und er pickt sich einige davon heraus, um sich ihnen heimlich zu nähern.
Natürlich ist der erste Treffer gleich ein berühmter Fußballer, mit dem David sich bestens identifizieren und auf den er stolz sein kann. Doch danach werden die Begegnungen persönlicher, intimer. David hilft einem Schauspieler-Sohn bei einem Casting, besorgt einem Musiker ein Publikum und kümmert sich um eine drogensüchtige Tochter. Sogar mit einem behinderten Jungen freundet er sich an und besucht ihn regelmäßig. Dadurch entstehen kleine, warmherzige Episoden, denen es zwar angesichts der Kürze an Tiefe mangelt und deren Konflikte sich (zu) schnell lösen lassen, die aber mit viel Herz erzählt werden.
Mit der Zeit beginnt man David besser zu verstehen, man erfährt, wofür er das Geld von der Samenbank gebraucht hat, lernt etwas über seine Ängste und findet ihn schlussendlich richtig sympathisch. Starbuck, benannt nach Davids Pseudonym in der Klinik, ist keine laute Komödie, sondern eher eine fein gezeichnete, liebevolle Erzählung über Vaterschaft und Familie, nicht perfekt, nicht tiefsinnig, aber ungemein warmherzig.
Note: 3+