Bros

Kaum zu glauben, dass ich immer noch Beiträge finde, die ich vergangenes Jahr während unseres USA-Aufenthalts geschrieben habe. Mindestens zwei weitere warten noch in der Pipeline, aber da ich zurzeit relativ wenige Filme sehe, bin ich froh, eine kleine Reserve zu haben.

Um den Film wurde ein bisschen Tamtam gemacht, weil es die erste Studioproduktion einer romantischen Komödie mit einer überwiegend aus Mitgliedern der LGBTQ+-Community bestehenden Cast ist. Das klingt progressiv, ist vermutlich auch wahr, ignoriert aber bewusst andere und wichtigere Meilensteine der Filmgeschichte. In diesem Punkt bin ich hin- und hergerissen, denn natürlich ist es gut, dass schwule Schauspieler, die oft genug wegen ihrer sexuellen Orientierung heteronormative Rollen nicht bekommen, schwule Figuren spielen und nicht Heterosexuelle, die dann für ihren Mut gefeiert werden (was auch der Film kritisiert). Dennoch wirkt dieses Statement ein wenig wie eine Mogelpackung, weil es andere Filme wie etwa The Boys in the Band gab, die dasselbe getan haben. Nur waren es keine Studioproduktionen …

Der Trailer hat mir jedoch überhaupt nicht gefallen, die Hauptfigur war mir viel zu nervig, es gab zu viele Klischees, und da Judd Apatow produziert hat, schwante mir Übles. Bisher hat mir noch keine seiner Komödien gefallen. Und auch das Plakat ist furchtbar. Aber an unserem letzten Tag in Las Vegas schien es irgendwie der passende Film zu sein, zumal wir ein wenig melancholisch gestimmt waren.

Bros

Bobby (Billy Eichner) ist ein bekannter Podcaster und LGBTQ+-Aktivist, der im Verwaltungsrat eines neu zu gründen Museums für US-amerikanische queere Geschichte ist und sich mit seinen Kolleg*innen über dessen Ausrichtung streitet. Obwohl er eigentlich keine Beziehung will und nach eigenen Angaben noch nie verliebt war, ist er von dem attraktiven Aaron (Luke Macfarlane) angetan. Die beiden verstehen sich großartig und verlieben sich zu ihrer eigenen Überraschung ineinander, doch ihre unterschiedlichen Temperamente und Lebenseinstellungen stehen ihnen im Weg.

Im Film macht sich Bobby ein wenig über schnulzige Filme von Hallheart lustig, hinter dem sich kaum verschleiert das behäbige, altbackene Label Hallmark verbirgt (für das Macfarlane oft genug vor der Kamera stand), weil dieses plötzlich Filme mit queeren Figuren herausbringt, nachdem sie herausgefunden haben, dass ein Zehntel ihrer Zuschauer weniger schwulenfeindlich ist als früher. Das ist witzig, ebenso wie die verkrampften, gut imitierten Trailer zu fiktiven Filmen, die sich Bobby natürlich heimlich anschaut. Es ist aber auch ein klein wenig unehrlich, wenn sich gleichzeitig das Studio, das Bros produziert, mit dieser Produktion rühmt und von dieser Leistung profitieren will, während es früher ebenso das queerfeindliche System mitgetragen hat. Wie so vieles in diesem Film hat auch das ein Geschmäckle, und wer weiß, ob die Produktion ohne einen zugkräftigen Namen wie Judd Apatow überhaupt entstanden wäre?

Mutig ist an diesem Film jedenfalls nichts, dafür wimmelt es nur so von Klischees. Natürlich ist Bobby ein Podcaster (hat nicht jeder New Yorker einen Podcast?), noch dazu ein berühmter, der von seinen Fans erkannt wird. Und der Nebenplot über die Gestaltung des Museums ist stellenweise kaum erträglich und besitzt lediglich mit Debra Messings Gastauftritt einen witzigen Moment. Das Skript versucht einen Spagat zwischen sanfter Ironie und Wokeness, hält der Community den Spiegel vor, ohne dabei wirklich bissig oder subversiv zu sein und plumpst damit so krachend zwischen alle Stühle wie eine Drag Queen, die von der Bühne fällt.

Selbstverständlich muss auch das Datingleben Bobbys für einige schale Witze herhalten, schließlich, und das gibt die Figur unumwunden zu, geht es allen schwulen Männern ja nur um Sex. Weshalb die beiden Hauptdarsteller auf dem Plakat auch nur von hinten zu sehen sind und sich gegenseitig an den Hintern fassen. Wie witzig! Genauso wie die verklemmte Sexszene zu Beginn, nach der man schreiend das Kino verlassen möchte, weil sie so misslungen ist und so platt albern.

Überhaupt ist der Umgang mit Sex in dem Film so amerikanisch-verklemmt, dass man meinen könnte, Serien wie Queer as Folk hätte es nie gegeben. Die erste intime Szene zwischen den beiden Hauptfiguren erinnert in ihrer bewusst inszenierten Tölpelhaftigkeit an Das lange Elend, ist nur leider weder so leidenschaftlich noch komisch, sondern einfach nur peinlich.

Höhepunkt des Fremdschämens ist jedoch Bobbys Ausbruch im Restaurant, wenn er Aarons Mutter brüskiert, weil sie als Lehrerin befindet, dass Siebenjährige noch nicht über queere Tatsachen aufgeklärt werden sollen. Das zielt auch die republikanische Einstellung und Gesetzgebung ab, zu der auch das hierzulande bekannte Don’t say gay-Gesetz in Florida zählt, und ist an sich ein interessantes Thema, nur wird es leider so plump bespielt, dass der Schuss nach hinten losgeht. Zum Glück wird die Szene durch einen der besseren Schlussgags wieder gerettet.

Nicht alles ist schlecht an Bros. Wenn die Story sich ernsthafter mit ihren Hauptfiguren beschäftigt, entstehen einige romantische und, zumindest einmal, sogar bewegende Momente. Die authentischste Szene ist das Geständnis Bobbys über sein Scheitern als Journalist und Autor, dem immer vorgeworfen wurde, zu schwul zu sein. Hier scheint Billy Eichner, der zusammen mit Regisseur Nicolas Stoller das Drehbuch schrieb, auf seine persönlichen Erfahrungen im Showbiz zurückzugreifen, und in dieser Minute erscheint seine Figur tatsächlich wie ein lebendiger Mensch, der viel Schmerz erfahren musste.

Leider ist dies der einzige Moment im Film. Aaron bleibt vollkommen blass, und nur dem jungenhaften Charme von Macfarlane ist zu verdanken, dass die Figur überhaupt Präsenz zeigt. Vieles an sämtlichen Figuren ist leider total papieren, und was als Idee vielleicht noch ganz gut klang, verliert spätestens auf der großen Leinwand seine Glaubwürdigkeit.

Letzten Endes hätte Bros wesentlich besser werden können, wenn die Autoren sich stärker auf ihre Figuren konzentriert und sie und insbesondere ihre Psychologie ernster genommen hätten. Der Film will eine romantische Komödie sein, sich aber gleichzeitig über das Genre lustig machen, er will woke und aufklärerisch sein, die Community aber auch liebevoll kritisieren und rutscht dabei viel zu tief in die Klischeekiste.

Um ehrlich zu sein, habe ich mir den Film (noch) schlechter vorgestellt. Es gibt einige gelungene Momente, nur eben leider keine gute Szene. Wie in heteronormativen romantischen Komödien auch gibt es viele Stereotype und vorgestanzte Plotmuster, aber keiner hat erwartet, dass das Rad neu erfunden wird. Es ist nur schade, dass so viele Chancen vertan wurden, weil das Drehbuch nicht stimmig ist.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.