Wer nicht hören will, muss fühlen, weiß der Volksmund, und wer imdB nicht glauben will, muss leiden. In meinem News-Feed bei Facebook wurde mir vor einer Weile ein Ausschnitt aus e-m@il für Dich vorgeschlagen (auf die unorthodoxe Schreibweise und abenteuerliche Groß- und Kleinschreibung war damals bestimmt irgendjemand mächtig stolz), und obwohl ich den Film damals nicht mochte, habe ich mir die Szene angesehen und dachte: Wow, das war besser geschrieben als alles, was heutzutage in dem Genre verbrochen wird.
Irgendwie war ich in der Stimmung für eine spritzige, romantische Komödie, und auch wenn die Zuschauerbewertungen unterirdisch waren, wollte ich dem Film wegen seiner sympathischen Hauptdarsteller eine Chance geben.
Your Place or Mine
Debbie (Reese Witherspoon) und Peter (Ashton Kutcher) hatten mal etwas miteinander, bevor sie beschlossen, nur gute Freunde zu sein. Zwanzig Jahre später ist Debbie alleinerziehende Mutter eines Jungen (Wesley Kimmel), die keine Zeit für einen Mann hat, während Peters Beziehungen regelmäßig nach sechs Monaten in die Brüche gehen, weil er Verantwortung scheut. Als Debbie für ein Buchhaltungs-Seminar zu Peter nach New York reisen will, ihr Babysitter aber kurzfristig abspringt, schlägt Peter vor, in Los Angeles auf ihren Sohn aufzupassen.
Romantische Komödien leben vom Wie, nicht vom Was. Ich glaube, ich kann daher verraten, dass Debbie und Peter am Ende ein Paar werden, wie ich überhaupt Details aus der Handlung preisgeben kann, ohne jemandem, der so verzweifelt wie ich auf der Suche nach einer RomCom ist, den Spaß am Zuschauen zu verderben, denn den hat man sowieso nicht. Die Frage, die sich stellt, ist daher: Wie schlecht ist der Film?
Reese Witherspoon spielt wieder einmal die patente Mama, die ihr Leben perfekt im Griff hat, gut organisiert, ein bisschen überfürsorglich und übertrieben selbstkritisch. Eine Frau, die alles und vor allem ihre Entscheidungen ständig hinterfragt und am Ende das macht, was entweder vernünftig oder pragmatisch ist. Deshalb ist sie Buchhalterin geworden und nicht Lektorin, obwohl sie gerne liest und sich in der Materie sehr gut auskennt. Ashton Kutcher fremdelt als Peter ein wenig mit seiner Vaterrolle, obwohl er ein Naturtalent ist, und er spielt wieder einmal den großen Jungen, der nichts wirklich ernst nimmt, sich nicht binden will, aber natürlich insgeheim in Debbie verliebt ist. Was er ihr aber nie sagt. Das bekannte Peter-Pan-Stereotyp.
Von Anfang an sind Debbie und Peter ein perfektes Paar, sie telefonieren ständig, erzählen sich alles (bis auf die wirklich wichtigen Dinge), und der einzige Grund, warum sie noch nicht verheiratet sind, ist die räumliche Distanz. Deshalb sorgt Aline Brosh McKenna, die für Drehbuch und Regie verantwortlich ist, dafür, dass sie so weit wie möglich voneinander getrennt sind. Wie originell: Man erzählt eine RomCom über zwei Figuren, die sich erst am Ende persönlich treffen.
In der Theorie ist das nicht schlecht, in der Praxis allerdings ein bisschen langweilig. Ohne persönliche Kontakte entsteht keine Chemie, keine Reibung, egal ob im positiven oder negativen Sinn, es sprühen keine Funken. Das Eingestehen der eigenen Gefühle und die Erkenntnis, dass der andere einen liebt, erfolgt über den Austausch mit anderen Figuren, Stellvertretern.
Und damit sind wir bei den Nebenfiguren, von denen es einige gibt. Debbie hat eine beste Freundin, die von Tig Notaro gewohnt stoisch und sarkastisch interpretiert wird und abgesehen von ihrer Kaffeesucht und einigen Kommentaren zur Kindeserziehung nicht viel beizutragen hat. Dann gibt es in L.A. noch Steve Zahn, der durch die Szenen irrlichtert und eine so papierene Figur darstellt, dass man förmlich die Seiten rascheln hört. Manchmal hat man beim Zuschauen tatsächlich das Gefühl, die Gedanken der Darsteller lesen zu können, und sie alle lauten: Wenigstens ist es leicht verdientes Geld.
In New York hingegen lernt Debbie Minka (Zoe Chao) kennen, die irgendwie mal mit Peter verbandelt war und Debbie adoptiert wie einen Hund aus dem Tierheim. Sie ist die schräge Freundin, die Debbie aus ihrer Verhuschtheit heraushelfen soll, indem sie ihr ein sexy Outfit verpasst. Auch eine von den unvermeidlichen RomCom-Szenen heutzutage. Was uns zu Theo (Jesse Williams) führt, Debbies Verehrer in New York und Peters Konkurrent. Wie gesagt, Debbie liebt Bücher, sie kennt daher nicht nur den Verleger (er muss wohl ein Kardeshian der Verlagsbranche sein), sondern hat natürlich auch jedes Buch seiner Firma gelesen, selbst die obskursten Romane. Das Kennenlernen der beiden ist tatsächlich die lustigste Szene des gesamten Films, weil sie so übertrieben, plump und peinlich ist, dass man laut auflacht. Dabei möchte man eigentlich nur noch weinen.
Natürlich haben RomComs immer etwas Märchenhaftes, aber man kann es auch übertreiben. Zwischen Debbie und Theo funkt es selbstverständlich sofort, sie haben ja auch so viel gemeinsam (die Liebe zu Büchern und ihren Söhnen). Debbie bekommt wegen ihrer Leidenschaft für Bücher natürlich umgehend einen Job im Verlagswesen, der schon immer ihr Traum war, für den sie sich aber nie beworben hat, weil sie Angst hatte, abgelehnt zu werden. Und habe ich bereits erwähnt, dass Peter schon immer Schriftsteller werden wollte, sich aber nie getraut hat, diesen Traum zu verwirklichen? Und natürlich hat er ein Manuskript in der Schublade (eigentlich im Backofen), das Debbie sofort verkauft, weil die Handlung (eine Mischung aus Peters Kindheitstrauma, toter Vater und so, und einer Allergie gegen sich selbst) so brillant und die Prosa so unglaublich einfühlsam ist. Wäre man im Kino, würde man spätestens an dieser Stelle in seine Popcorntüte kotzen.
Die Botschaft des Films ist klar: Man soll an sich und seine Träume glauben, und es ist nie zu spät, noch eine neue Richtung im Leben einzuschlagen. Das wird anhand von zwei Figuren vermittelt, die nie auch nur irgendwas unternommen haben, um ihre Träume zu verwirklichen, denen nun aber alles ohne Anstrengungen oder Hindernisse auf dem Silbertablett präsentiert wird. Das gilt sowohl für die beruflichen Veränderungen als auch für die Liebe. Die gesamte Geschichte ist komplett konfliktfrei. Selbst ein Autor von Groschenromanen hätte sich für eine so dürftige Story geschämt.
Reese Witherspoon, die ein unglaubliches Händchen für Stoffe hat, hat nicht nur die weibliche Hauptrolle übernommen, sondern auch produziert, und man fragt sich, warum. Was hat sie an dieser läppischen, einfallslosen und konfliktfreien Story nur gereizt?
Keine Ahnung, warum ich mir dieses Elend bis zum Ende angesehen habe. Masochismus? Ungläubiges Entsetzen darüber, dass ein solches Nichts von Story mit so bekannten Leuten verfilmt wurde? Manche Filme sind so schlecht, dass sie schon wieder unterhaltsam sind, andere sind wie ein Autounfall, bei dem wir aus perverser Sensationslust zuschauen müssen, und dann gibt es Filme wie Your Place or Mine, die einfach nur uninteressant sind. Man ärgert sich nicht über sie, weil sie einen kalt lassen, man schüttelt nur den Kopf über so viel Unvermögen – es scheint sogar, als hätte die Autorin sich nicht einmal bemüht, witzige Dialoge zu schreiben oder sich amüsante Szenen auszudenken – und hat ihn im nächsten Moment wieder vergessen. Eigentlich wäre er nicht einmal eine Erwähnung wert.
Note: 5