Der Trailer zu diesem Horrorfilm sah okay aus, aber offerierte weder eine besonders spannende noch gruselige Geschichte. Immerhin, und das ist bei Genrefilmen leider keine Selbstverständlichkeit mehr, verriet er nicht allzu viel (man denke nur an The Black Phone, dessen Trailer nahezu alles preisgegeben hat). Als der Film dann in den USA startete, gute Kritiken hatte (obwohl: irgendwie haben heutzutage selbst die schlimmsten Gurken gute Kritiken), und auch die imdB-Wert ziemlich gut ausfiel, war meine Neugier geweckt. Vielleicht ist dies ja einer dieser kleinen Überraschungshits, über die wir uns immer freuen?
Barbarian
Tess (Georgina Campbell) reist zu einem Vorstellungsgespräch nach Detroit und bucht via Airbnb ein kleines Haus. Doch als sie mitten in der Nacht in der gottverlassenen Gegend ankommt, hat sich dort bereits Keith (Bill Skarsgård) eingerichtet, der die Unterkunft ebenfalls gebucht hat. Obwohl Tess misstrauisch ist, zeigt sich Keith von seiner nettesten Seite und überredet sie, über Nacht hierzubleiben. Die beiden kommen sich näher, freunden sich sogar etwas an, doch dann hört Tess in der Nacht unheimliche Geräusche …
Wenn man den Film gesehen hat, weiß man, warum der Trailer so schwach und nichtssagend war, denn erstens sollte man nicht zu viele Wendungen verraten, und zweitens gibt es nicht nur die Geschichte von Tess und Keith, sondern auch noch die von A.J. (Justin Long). Denn nach einer ganzen Weile kommt es zu einem Perspektivwechsel, und die Ereignisse werden aus der Sicht der Hausbesitzers geschildert, der ein Regisseur in Hollywood ist, der gerade der Vergewaltigung beschuldigt wurde.
Dieser plötzliche Wechsel kommt überraschend, es ist aber eine Entwicklung, die im Voraus zu wissen, meiner Meinung nach, sinnvoll ist, bewahrt sie einen doch vor einer gewissen Enttäuschung. Denn bis zu diesem Zeitpunkt funktioniert der Film vorzüglich. Man lernt Tess und Keith kennen, beginnt sie zu mögen und fragt sich nur nebenbei, was mit dem Haus nicht stimmt und ob die Geräusche auf einen Eindringling oder eine übernatürliche Quelle zurückzuführen sind. Dass die beiden Hauptfiguren dann auf einmal verschwinden, ist eine der großen Schwächen des Films.
Autor und Regisseur Zach Cregger scheint sich nicht recht entscheiden zu können, welche Story er eigentlich erzählen will. Tess bleibt zum Glück seine Hauptfigur, auch wenn sie lange Zeit aus dem Fokus gerät, und A.J.s Story fügt sich recht geschickt in das Thema des Films, doch zerstört der Perspektivwechsel den Rhythmus der Erzählung. Immerhin bleibt Cregger konsequent und verschiebt ein wenig später die Perspektive erneut und blickt zurück in die Vergangenheit des Hauses und den Ursprung des Bösen. Insgesamt ergibt sich daraus dann doch eine zusammenhängende Geschichte, die allerdings weder neu noch originell ist und leider auch nicht alle Antworten liefert.
Auf der Habenseite steht eine eindringliche und gekonnte Inszenierung. Atmosphärisch ist der Film ungeheuer dicht, man gruselt sich immer wieder, obwohl Cregger Horrorelemente nur sparsam einsetzt, aber dafür gelegentlich tief in die Gore-Kiste greift. Manche Momente sind einfach nur ekelerregend.
Das Thema ist hingegen aktuell und beschäftigt sich mit Gewalt gegen Frauen, diskutiert aber auch recht geschickt das Verhältnis zwischen Männern und Frauen, das seit der #MeToo-Bewegung von Verkrampftheit und Misstrauen geprägt ist. Auch das Böse, über dessen Wesen hier nichts verraten werden soll, entpuppt sich am Ende als bedauernswerte Kreatur. Das alles ist nicht schlecht. Dennoch wirkt der Film nicht wie aus einem Guss, die Sprünge erscheinen eher störend, weil sie unmotiviert wirken und letzten Endes zu wenig aufklären, und das Böse bekommt zuletzt völlig unnötigerweise noch den Anschein, unzerstörbar zu sein.
Note: 3