Nope

Durch meine längere Blog-Pause Ende letzten Jahres haben sich einige Beiträge angesammelt, darunter einige, die ich in den USA im vergangenen Sommer geschrieben habe. Zeit also, Versäumtes endlich nachzuholen.

Jordan Peele und Christopher Nolan haben in meinen Augen etwas gemeinsam: Sie sind großartige Regisseure mit einer einfallsreichen und kreativen Bildsprache, aber schwache Drehbuchautoren, deren Geschichten meist voller Logikfehler sind. Als Autor gibt es für mich fast nichts Schlimmeres als eine schlecht erzählte Geschichte. Aber vielleicht ändert sich dies ja mit Peeles jüngstem Werk?

Nope

OJ (Daniel Kaluuya) arbeitet auf der Ranch seines Vaters (Keith David), der in dritter Generation Pferde für Hollywood-Filme trainiert. Eines Tages kommt der Vater bei einem bizarren Unfall ums Leben, als eine Münze vom Himmel fällt und durch sein Auge ins Gehirn eindringt. Man gibt einem Privatflugzeug die Schuld daran, doch OJ ist unsicher. Ein halbes Jahr später denken er und seine Schwester Emerald (Keke Palmer) über den Verkauf der Ranch nach, als weitere mysteriöse Vorkommnisse ihr Interesse erregen: Alsbald sind die Geschwister überzeugt, dass sich ein UFO in den Wolken verbirgt, und sie planen, es auf Film zu bannen, um davon zu profitieren.

Nope ist Slang für Nein, und das einzige, das OJ einfällt, als er schließlich das vermeintliche UFO zu Gesicht bekommt, eine trotzige Verweigerung der sich vor seinen Augen abspielenden Szenerie. Und als Zuschauer denkt man sich auch bei vielen falschen Abzweigungen, die der Film nimmt: Nope. Darüber hinaus kursiert auch die Behauptung, Nope sei ein Akronym für Not from planet earth. Dazu passt die Bemerkung einer Nebenfigur, dass die NASA die Bezeichnung UFO geändert habe, als sie gezwungen war, ihre Archive zu öffnen und Aufnahmen von Begegnungen mit unbekannten Flugobjekten zu veröffentlichen.

Peele frühere Werke, vor allem Get Out, weniger Wir, hatten noch eine klar erkennbare Metaebene, die spannender war als die eigentliche Geschichte. Diese ist bei Nope nicht eindeutig erkennbar. Der Film ist eine seltsame, aber nicht uninteressante Mischung aus Animal Horror, Science-Fiction und Western und hat immerhin eine bestechende Idee, die mit der Auflösung des unbekannten Objekts zusammenhängt.

Dramaturgisch folgt die Geschichte der Struktur eines Tier-Horrorfilms und erzählt von etwas Wildem, Animalischem, das im Verborgenen lauert und dem die Helden zunächst hilflos, dann zunehmend aggressiv gegenüberstehen. Interessant daran ist, dass ihr erster Instinkt ihnen – ganz unamerikanisch – rät, nicht mit Gewalt zu reagieren, sondern mit einem filmischen Beweis Kasse zu machen. Entweder ist diese Haltung dem modernen Menschen geschuldet, der bei jedwedem ungewöhnlichen Ereignis, sei es ein Rockkonzert, ein Verkehrsunfall oder eine Naturkatastrophe, zuerst sein Smartphone zückt, um ein Video zu machen. Oder es ist ein afro-amerikanischer Instinkt, der aus Jahrhunderten der Unterdrückung und Diskriminierung resultiert und zur Vorsicht rät.

Nope hat zwei große Schwächen. Die erste sind seine Protagonisten, die so oberflächlich gezeichnet sind, dass man ihnen einfach nicht nahe kommt und ihr Schicksal einen weitgehend kalt lässt. OJ ist mürrisch und wortkarg und wirkt viel zu passiv, Emerald ist dagegen ein Energiebündel, macht aber einen etwas sprunghaften Eindruck. Man weiß nicht so recht, was man mit diesen unentschlossenen Helden anfangen soll.

Das größere Problem ist jedoch, dass die Story viel zu lange braucht, um überhaupt an Fahrt zu gewinnen. Im Gegensatz zu Peeles früheren Filmen fehlt hier die beklemmende Atmosphäre, die einen förmlich in die Geschichte hineingesogen hat. Hier wartet man nur ungeduldig darauf, dass endlich etwas passiert, zumal man bereits aus dem Trailer weiß, womit man es zu tun hat. Es gibt zwar einige Spannungsmomente, aber es sind zu wenige, die zu unmotiviert eingestreut werden. Durch die mitunter willkürliche Einteilung in Kapitel wird der Erzählfluss zusätzlich unterbrochen. Einigermaßen spannend wird es erst im letzten Drittel, das aber ein wenig halbherzig inszeniert ist.

Was kann man aus Nope mitnehmen? Dass das Animalische sich nie unterdrücken oder abtrainieren lässt, so sehr wir uns Menschen das auch wünschen? Immerhin ist die eingestreute Backstory einer von Steven Yeun gespielten Nebenfigur über einen Amok laufenden Schimpansen noch mit das Spannendste in einem ansonsten schwachen Film, der mehrere Genres mischt, aber keines davon optimal bedient.

Note: 4

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.