Avatar – The Way of Water

Obwohl ich grundsätzlich kein Fan von Avatar bin, auch wenn der erste Teil ein guter Film war, habe ich die Fortsetzung zweimal im Kino gesehen. Einmal zum Start, um mitreden zu können, und dann nochmals gegen Ende seiner Laufzeit, um ihn in 3D und HFR zu sehen und die Fassungen miteinander vergleichen zu können. Zwei Dinge sind mir dabei aufgefallen: Ich hatte in den drei Monaten, die zwischen den Kinobesuchen lagen, bereits weite Teile der Handlung wieder vergessen (oder verdrängt), und ich bin in beiden Filmen an genau derselben Stelle für ein paar Minuten weggenickt.

Während meines Studiums haben wir uns im Fach Filmtheorie jede Woche mit der Frage beschäftigt, was einen Film so erfolgreich macht (oder auch nicht), haben uns dazu aktuelle Produktionen und Klassiker oder Kultfilme angesehen und spekuliert. Auch bei den Avatar-Filmen habe ich mir diese Frage gestellt: Warum sind gerade sie so über die Maßen erfolgreich? Sowohl Teil 1 als auch die Fortsetzung haben über zehn Millionen Besucher in die deutschen Kinos gelockt, was in all den Jahren dazwischen keinem einzigen weiteren Film gelungen ist. Was ist also das Geheimnis?

Avatar – The Way of Water

Einige Jahre sind vergangen, Jake Sully (Sam Worthington) und seine Frau Neytiri (Zoe Saldana) haben inzwischen drei eigene Kinder und die Tochter von Dr. Augustine (Sigourney Weaver), Kiri (ebenfalls Weaver), adoptiert. Vor allem zwischen den Söhnen, dem älteren, gehorsamen Neteyam (Jamie Flatters) und dem jüngeren Lo’ak (Britain Dalton), den seine Neugier immer wieder in Schwierigkeiten bringt, gibt es eine Rivalität um die väterliche Gunst. Kiri hingegen ist auf eine spirituelle Art mit Pandora und dem Leben dort verbunden, die allen anderen Rätsel aufgibt.

Eines Tages wird das heitere Leben der Familie gestört, als die Himmelsmenschen zurückkehren und die Na’vi erneut gegen sie in den Krieg ziehen müssen. Die Eindringlinge haben dabei Sullys alten Widersacher Quaritch (Stephen Lang) zurückgebracht und seine Erinnerungen in einen Avatar implantiert. Er macht zusammen mit einer Gruppe gleichgesinnter Gefährten Jagd auf die Familie, nicht wissend, dass Quaritchs Sohn Spider (Jack Champion), der auf Pandora zurückgelassen wurde und bei einer Gruppe Wissenschaftler aufwuchs, praktisch ein Teil davon ist.

Die Rückkehr der Himmelsmenschen, also der Erdbewohner, die nach Ressourcen und vielleicht sogar einer neuen Heimat suchen, weil die Erde nahezu unbewohnbar geworden sein soll, ist keine Überraschung. Wer den Menschen kennt, weiß, dass er nicht so schnell aufgibt, vor allem wenn Reichtümer winken, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis neue Raumschiffe auf Pandora landen und die Maschinen den Planeten verwüsten.

Wer jetzt jedoch auf eine groß angelegte Offensive seitens der Na’vi gewartet hat, dürfte enttäuscht werden, denn die Ureinwohner setzen auf Guerillataktiken und kleine Nadelstiche. So ist eine der ersten spannenden Actionszenen der Überfall auf einen Zug mit Waffen und anderen Gütern. Cameron bemüht damit erneut Wild-West-Plotmuster, die er schon im ersten Teil benutzt hat: Hier die skrupellosen Pioniere, die sich Land und Besitz aneignen, dort die „edlen Wilden“, die sich zur Wehr setzen, obwohl sie kräftemäßig hoffnungslos unterlegen sind. Das Ganze bekommt durch die Umweltzerstörung noch eine weitere Ebene, die unserem Zeitgeist geschuldet ist. Pandora ist die sprichwörtliche zweite Erde, die genauso durch die Gier des Menschen zerstört wird.

In den USA und anderen englischsprachigen Ländern, wo mittlerweile und dank der Murdoch-Medien alles in den Kulturkampf hineingezogen wird, dürften diese Aussagen den Rechten nicht schmecken, halten sie Umweltschutz und Klimawandel doch für Unsinn und wollen auch nichts von der Unterdrückung von Minderheiten wissen. Und dennoch war der Film erfolgreich. Allerdings deutlich weniger erfolgreich als in allen anderen Ländern. Liegt es am Kulturkampf? Verzichten viele Rechte auf einen Kinobesuch, weil ihnen der Film zu woke ist? Oder sind diese Märkte (die den Erfolg eines Films in Dollar, nicht Besuchern messen) einfach nur kapitalistischer als andere und reagieren empfindlicher auf entsprechende Kritik? Ein weiterer Markt, auf dem die Fortsetzung nicht funktioniert hat, ist Japan. Hat es etwas mit der verkappten Kritik am Walfang zu tun oder liegt es eher daran, dass ausländische Filme, wenn sie gleichzeitig weltweit gestartet werden, dort immer schlechter laufen? Vielleicht ist es eine Mischung aus allem.

Als Zuschauer fragt man sich natürlich, ob sich die lange Wartezeit auf den Film gelohnt hat. Wenn man bedenkt, welche Fortschritte die Technik in all der Zeit gemacht hat, kann man die Frage eindeutig bejahen: The Way of Water ist eindrucksvoller als Aufbruch nach Pandora und besticht mit wunderschönen Bildern aus dem Rechner und Effekten, die einen staunen lassen. Interessant ist, dass die herkömmliche Fassung insgesamt realistischer wirkt als die HFR-Fassung, bei der lediglich die Unterwasseraufnahmen fantastisch aussehen, alle Szenen an Land jedoch immer noch wirken wie aus einem Videospiel. Möglicherweise ist es auch nur meine Wahrnehmung, aber im Dezember ist es mir besser gelungen, in die Welt von Pandora einzutauchen als bei der 3D/HFR-Fassung, bei der mich die viel zu glatte Optik immer wieder gestört hat.

Wirklich beeindruckend ist das World Building. Die Flora und Fauna von Pandora war schon im ersten Film faszinierend, gut durchdacht und bis ins kleinste Detail liebevoll umgesetzt. Das ist auch in Teil 2 so, der sehr viel unter Wasser spielt und damit eine ganz neue Welt erschließt. Auf Pandora gibt es noch viel zu entdecken, und stellenweise wäre es mir lieber gewesen, Cameron hätte eine fiktive Naturdoku über das Leben dort gedreht als einen Spielfilm über den Kampf um Rohstoffe und Lebensraum.

Die Story ist, wie in vielen Cameron-Filmen, dürftig. Im Grunde wird dieselbe Geschichte wie in Teil 1 erzählt, mit einigen Varianten und anderen Gewichtungen. Ging es im ersten Film um Sullys Wandlung vom Soldaten auf einer Undercover-Mission hin zum Krieger für das Gute, steht er nun von Anfang an auf der richtigen Seite. Aber – und das ist das größte Manko des Drehbuchs von James Cameron und Josh Friedman – ihn verlässt diesmal der Mut. Man kann das ein Stück weit nachvollziehen, weil diesmal seine Familie in Gefahr gerät, aber dramaturgisch gesehen ist die Entscheidung, die Sullys fliehen und sich verstecken zu lassen, eine Katastrophe. Eine passive Hauptfigur, die sich aus der eigentlichen Handlung zurückzieht, taugt leider nichts.

So interessant das Leben auf den Inseln auch dargestellt wird, die Geschichte schaltet mit der Flucht der Familie praktisch in Leerlauf und kommt erst im letzten Drittel, wenn der Feind sie endlich findet, wieder in Fahrt. Dazwischen passiert zwar auch einiges, vor allem müssen die Sullys sich in einer neuen Umgebung zurechtfinden, die Widerstände und Vorurteile der Meeresbewohner überwinden und Abenteuer mit pazifistischen Walen bestehen, aber gerade im zweiten Drittel gibt es etliche Längen, die Cameron nur teilweise mit tollen Aufnahmen wettmachen kann.

Wenn es dann endlich zum großen Finale und dem erneuten Kampf gegen Quaritch und seine Leute kommt, findet der Film wieder in sichere Fahrwasser zurück. Die Actionszenen sind toll inszeniert und überaus spannend, und dass vieles davon an Titanic erinnert, kann man als ein Augenzwinkern Camerons sehen – oder als weitere Schwäche, weil hier einfach nur wiederholt wird, anstatt mit Neuem zu überraschen.

Auch nach zwei Sichtungen kann ich die Frage nach dem herausragenden Erfolg nicht beantworten. Irgendwie war es für mich nichts Neues, fantastisches World Building gibt es auch in anderen Filmen, bessere Storys sowieso. Man darf gespannt sein, wie Teil 3, mit dem die Geschichte der Sullys dann zu einem Ende gebracht wird, ausfallen wird, und ob es ohne die Familie danach immer noch möglich ist, so viele Leute ins Kino zu locken.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.