Mad Max: Fury Road war ein unerwartetes Reboot eines alten Franchises und kreativ gesehen eine überraschende Frischzellenkur für das Kino. Daher wurde George Millers neuer Film mit großem Interesse erwartet, doch der erste Trailer sorgte für eine Menge Verwunderung, sah die Geschichte doch so gar nicht nach einem weiteren Action-Spektakel aus. Immerhin kann man sagen, dass Miller nach wie vor zu überraschen weiß.
Wir haben uns den Film vergangenen Sommer im South Point Casino in Las Vegas angesehen, ein Ort, der auch ein klein bisschen wirkt, als wäre er nicht von dieser Welt. Schade, dass es das Alladin Hotel nicht mehr gibt (es ist heute ein Planet Hollywood), dorthin hätte der Film gut gepasst.
Three Thousand Years of Longing
Alithea (Tilda Swinton) ist eine britische Dozentin und Spezialistin für mythologische Erzählungen, die ihrer Meinung nach in einer wissenschaftlich dominierten Welt obsolet geworden sind. Doch immer wieder spielt ihr ihre übermächtige Imagination Streiche und konfrontiert sie mit erschreckenden Trugbildern. Als sie nach dem Kauf einer antiken Glasflasche daraus einen Dschinn (Idris Elba) entlässt, glaubt sie zunächst an eine weitere Halluzination. Als der Dschinn ihr drei Wünsche anbietet, lehnt sie ab, weil sie zu viele Geschichten kennt, in denen die Erfüllung von Wünschen Unglück gebracht hat. Um sie von seinen lauteren Absichten zu überzeugen, erzählt ihr der Dschinn daraufhin seine Lebensgeschichte.
Der Kameramann John Seale war bereits im Ruhestand, als Miller ihn für Mad Max: Fury Road wieder zurückholte – und hat ihn nun erneut überredet, hinter der Kamera Platz zu nehmen. Ein Glück, kann man sagen, denn die Bilder aus dieser Erzählung aus Tausendundeiner Nacht sind von bestechender Schönheit. Auch die Musik von Tom Holkenborg ist großartig.
Das Drehbuch von Miller und Augusta Gore basiert auf einer Kurzgeschichte von A.S. Byatt von 1994, die vor allem Anleihen an den Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht und diversen Volksmärchen nimmt. Man merkt der Story die Kurzform an, denn Millers Film ist über weite Strecken ein Kammerspiel, das durch episodische Rückblenden aufgebrochen wird. Insgesamt ist die Geschichte etwas dürftig, und es stellen sich im Verlauf auch einige Längen ein, weil man den Figuren, die sich immer wieder in den Vordergrund drängen und die die interessantere Beziehung zwischen Alithea und dem Dschinn ablösen, nicht wirklich nahe kommt oder sich für ihr Schicksal sonderlich interessiert.
Da es um die Erfüllung von Wünschen geht, was in verschiedenen Mythen und Erzählungen oft mit Fallstricken und Gefahren verbunden ist, berührt die Story im Kern Alitheas tiefste Sehnsüchte. Doch Alithea ist eine sehr rationale, zwar einsame, doch mit sich selbst zufriedene Gelehrte, die perfekt von Tilda Swinton verkörpert wird, mit der man aber über lange Zeit nicht richtig warm wird. Der von Elba verkörperte Dschinn ist dagegen das genaue Gegenstück, ist er doch ständig hoffnungslos in sterbliche Frauen verliebt, ohne jemals eine glücklich Verbindung eingehen zu können. Als Konstrukt funktioniert das wunderbar, in der Umsetzung bleibt es doch etwas zu abstrakt, zu akademisch. Man vermisst das Feuer, die Leidenschaft in dieser Story, die auch eine Liebesgeschichte sein soll.
Auf der Metaebene geht es aber auch um die Funktion von Mythen und Erzählungen und damit im Kern auch um die Bedeutung von Geschichten und Filmen. Dienten sie früher als Erklärungen für die Phänomene dieser Welt, werden sie nun von Alithea weitgehend als obsolet erklärt. Miller führt uns nun jedoch geschickt vor Augen, dass auch wir aufgeklärte, rationale Menschen des 21. Jahrhunderts die Kraft und die Schönheit von Märchen und Mythen brauchen, und das ist immerhin ein versöhnlicher Gedanke.
Note: 3