Zum Start des Films schwadronierte Kevin Feige über die Zukunft des MCUs und äußerte seine Hoffnung, es möge 80 Jahre lang bestehen. Für ein Universum ist das eine extrem kurze Zeit, für eine Filmreihe hingegen eine Ewigkeit. Fünfzehn davon haben wir bereits hinter uns, und wer jetzt als Sechsjähriger zum ersten Mal einen Superheldenfilm im Kino sieht, wird bereits im Rentenalter sein, wenn der letzte über die große Leinwand flimmert. Die meisten von uns werden dann wohl schon Sternenstaub sein.
Aber konzentrieren wir uns lieber auf das Hier und Heute und die Morgenröte von Phase 5, die gerade mit dem dritten Abenteuer von Ant-Man heraufdämmert.
Ant-Man and the Wasp: Quantumania
Scott Lang (Paul Rudd) genießt sein Leben als Avenger und Weltenretter, seinen Gratis-Kaffee, die freundliche Aufmerksamkeit von Fremden und Verehrern und das Leben mit Hope Van Dyne (Evangeline Lilly). Nur seine inzwischen erwachsene Tochter Cassie (Kathryn Newton) macht ihm Sorgen, will sie doch in seine Fußstapfen treten und geht dabei Risiken ein. Gleichzeitig ist sie auch ungemein clever und hat zusammen mit ihrem Stief-Großvater Henry (Michael Douglas) einen Satelliten konstruiert, mit dem sie die Quantenwelt kartografieren wollen. Janet (Michelle Pfeiffer), die unfreiwillig dort Jahrzehnte verbracht hat, warnt sie davor – doch zu spät: Alle fünf werden unvermittelt in die Quantenwelt gesogen, wo sie auf einen gefährlichen Gegenspieler treffen: Kang, der Eroberer (Jonathan Majors).
Ant-Man war schon in den Comics eher ein Held aus der zweiten Reihe, und auch zu Beginn seiner Kinokarriere stand er im Schatten der Großen wie Ironman, Captain America oder Thor. Doch nicht zuletzt dank Paul Rudds augenzwinkernder Performance und seinem kumpelhaften Charme wächst seine Beliebtheit von Film zu Film. Man mag Scott Lang, weil er so erfrischend normal und unperfekt ist, einer wie du und ich. Mit ihm würde man ein Bier trinken gehen, mit einem Dr. Strange eher nicht.
Letzten Endes ist es genau diese Sympathie für die Figuren, die einen Quantumania wohlwollend in Erinnerung behalten lässt, weniger das Abenteuer, das sie erleben. Schon im Trailer wurde verraten, dass die Familie in die Quantenwelt stürzt, die in allen Ant-Man-Filmen eine wichtige Rolle gespielt hat. Diesmal lernen wir sie und ihre Bewohner ausführlich kennen.
Tatsächlich ist das fantasievolle World Building das Beste am Film. Janet, die sich hier bestens auskennt, erklärt, dass es viele Welten gibt, und Welten innerhalb von Welten, kurz gesagt: eine Menge zu entdecken. Autor Jeff Loveness bedient sich dabei ausgiebig bei den Klassikern: Wie Alice im Wunderland stürzen unsere Helden in einen Kaninchenbau und treffen auf absonderliche Gestalten, zu denen auch ein alter Widersacher gehört: Darren (Corey Stoll) nennt sich nun M.O.D.O.K. und sieht irritierenderweise aus wie Humpty Dumpty.
Aber von diesem Fehlgriff mal abgesehen ist die Quantenwelt ein faszinierender Ort mit lebenden Gebäuden und seltsamen Wesen. Erstaunlich vieles erinnert dabei an Star Wars, von den rotgewandeten Gestalten bis hin zu Waffen und Fahrzeugen, und trägt nicht auch Kang etwas aus der Darth-Vader-Modelinie? Scott wiederum, der mal groß, mal klein ist, erinnert stark an Gulliver aus Gullivers Reisen, und auch die Abenteuer in der Quantenwelt sind von jenen in Lilliput nicht so weit entfernt.
Das Abenteuer, das Scott mit seiner Familie erlebt, ist jedoch eher enttäuschend. In der Quantenwelt gestrandet, müssen sie ums Überleben und gegen einen übermächtigen Gegenspieler kämpfen, was auch ein bisschen an Der Zauberer von Oz erinnert. Kang ist kein Unbekannter, sondern wurde bereits in Loki eingeführt, wo er „Jener, der bleibt“ genannt wurde. Tatsächlich sind die Szenen in der Serie und die Post-Credit-Scene am Ende von Quantumania wohl wichtiger als die gesamte Handlung des Films, weisen sie doch in eine mögliche Richtung von Phase 5 und darüber hinaus.
Dass die Multiversum-Saga die Infinity-Saga abgelöst hat, ist schon lange bekannt, dass Kang der neue Gegenspieler sein würde, spätestens seit Loki eine Vermutung, die nun bestätigt wurde. Die Frage ist nur, ob Marvel damit glücklich wird. Das Multiversum ist zwar ein immer noch faszinierendes theoretisches Konstrukt, aber auch ein alter Hut, schon mehrfach – und noch dazu auch vom Rivalen DC – im Fernsehen durchgekaut. Innovativ oder originell ist die Idee nicht, zudem birgt sie die Gefahr der Beliebigkeit. Warum sollte man noch um die Helden bangen, wenn sie jederzeit durch eine andere Version aus einem anderen Universum ersetzt werden können? Man muss direkt hoffen, dass die angekündigten Avengers 5: The Kang Dynastie und Avengers 6: Secret Wars nicht von einem Bataillon von Kangs handeln, das gegen eine Heerschar Avengers antritt. Wobei vermutlich eine Handvoll Captain Marvels ausreichen würden.
Aber wie ist nun eigentlich Quantumania? In einem Satz: sympathische Figuren, tolle Kulisse, aber schwache Handlung. Das übliche Malen-nach-Zahlen-Schema mit einigen schlechten Einfällen (Stichwort Ameisen) und einem quirligen, überbordenden Finale, das den Einsatz auf der großen Leinwand rechtfertigt. Insgesamt keine richtige Enttäuschung, aber auch nicht der große Wurf, auf den man nach einer schwachen Phase 4 gehofft hatte. Eher und diesmal sogar im wörtlichen Sinne das übliche Kleinklein. Wenn die Qualität der Storys nicht langsam deutlich gesteigert wird, verglüht das MCU viel früher, als Kevin Feige sich das wünscht.
Note: 3