Beyond the infinite two minutes

Seit Im Westen nichts Neues vier Oscars abgeräumt hat, wird in den Medien darüber spekuliert, was sich dadurch wohl alles hierzulande ändern könnte. Aus diesem Anlass habe ich mir auch einige Gedanken zu dem Thema gemacht und eine Liste mit allen Änderungen geschrieben, die ich für möglich halte:

Immerhin hat mit Everything Everywhere All At Once endlich mal wieder ein Film gewonnen, der es auch verdient hat und keine Verlegenheitslösung war. Vielleicht führt dieser Erfolg bei den großen Studios sogar zu einem Umdenken und zur Produktion von mehr Mittelware und Projekten, die sich etwas trauen. Wir werden sehen.

Für alle, die Everything Everwhere All At Once mochten und auf der Suche nach einem ähnlichen Film sind, gibt es heute eine Empfehlung für einen japanischen Film auf Prime Video, der beim Fantasy Film Fest für Furore gesorgt hat. Die Inhaltsangabe klang kurios und schräg, und das hat mich neugierig gemacht.

Beyond the infinite two minutes

Kato (Kazunari Tosa) betreibt ein kleines Café, über dem er auch wohnt. Eines Abends nach Geschäftsschluss wird er über den Monitor, der mit einem zweiten Monitor im Café verbunden ist, angesprochen – von ihm selbst. So erfährt er, dass die Aufnahme aus dem Café seiner Gegenwart um zwei Minuten voraus ist. Zusammen mit seiner Angestellten und zwei Freunden spielt er mit den Möglichkeiten, einen kurzen Blick in die Zukunft werfen zu können, herum – und legt sich dabei mit gefährlichen Männern an.

Okay, der letzte Halbsatz klingt etwas zu reißerisch und weckt vermutlich falsche Erwartungen, denn so gefährlich sind die Gegenspieler nicht. Überhaupt wirken alle Figuren comichaft überdreht, was entweder an der Form der japanischen Darstellungskunst in der Komödie liegt oder daran, dass die Schauspieler unerfahren sind. Stellenweise hat man sogar das Gefühl, einem Schüler- oder Impro-Theaterstück zuzuschauen, aber diese Mängel sind vermutlich vor allem dem geringen Budget der Produktion geschuldet.

Improvisiert ist in diesem Film garantiert gar nichts, ganz im Gegenteil. Jedes Wort, jede Geste, jede Bewegung im Raum ist streng choreografiert, denn was die Figuren auf dem Bildschirm in Katos Wohnung sehen, wiederholt sich exakt so zwei Minuten später aus einem anderen Blickwinkel im Café. Später, wenn die Freunde die beiden Monitore einander gegenüber platzieren und so den Droste-Effekt kreieren, der dem Film seinen Originaltitel verleiht, werden diese Zeitebenen noch vervielfacht.

Der Droste-Effekt oder Mise en abyme bezeichnet ein Bild, das sich selbst enthält, benannt nach einer historischen Verpackung des Droste-Kakaos, auf der eine Frau die Kakao-Packung hochhält, auf der sie selbst zu sehen ist, wie sie die Kakao-Packung hochhält usw. Natürlich steht dieser Kakao auch im Café – zu Anschauungszwecken.

So albern der erste Teil des Films dank seiner übertrieben agierenden Darsteller auch ist, nimmt er sein Sujet ziemlich ernst und sorgt schon bald dafür, dass einem beim Zuschauen der Kopf raucht. Welcher Monitor gerade was zeigt, welche Figur wann was tut – es ist ein herrlich herausforderndes Denkspiel, das einfach beginnt, dann aber immer komplexer wird, vor allem weil durch die Spiegelungen weitere Zeitebenen hinzukommen, man also Figuren aus der Zukunft in vier oder acht Minuten sieht. Hier den Überblick nicht zu verlieren, ist nicht so einfach.

Der größte Knackpunkt an der Geschichte ist allerdings ihr Auslöser, denn Kato gibt an sich selbst Informationen weiter, die er unmöglich besitzen kann, was sich dann später noch mehrmals wiederholt. Und ob die zeitlichen Abläufe immer streng eingehalten werden, ist auch zweifelhaft. Aber das spielt im Grunde keine Rolle, denn man akzeptiert relativ schnell die Gegebenheiten und lässt sich zusammen mit den Figuren auf dieses absurde Spiel mit der Zeit ein. Es ist faszinierend, den Freunden dabei zuzusehen, wie sie mit sich selbst kommunizieren und dann brav alles wiederholen, was sie sich gerade selbst erzählt haben. Gefangene ihres Schicksals? Der Zeit? Ein interessantes Thema, das man ruhig weiter hätte vertiefen können.

Die Story, die sich dann in der zweiten Hälfte des Films entwickelt, ist spannender und abwechslungsreicher als das ewige Hin und Her des Beginns, aber auch daraus hätte man mit einem größeren Budget sicherlich noch mehr herausholen können. Für eine so kleine Produktion ist es dennoch bemerkenswert, was Autor Makoto Ueda und Regisseur Junta Yamaguchi aus dem Stoff gemacht haben. Vor allem, wenn man eine weitere Besonderheit bedenkt: Der Film wurde in nur einer einzigen Einstellung gedreht!

Note: 3+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.