Die Bücher von Agatha Christie wurden schon so oft verfilmt, dass man die unterschiedlichen Versionen kaum noch zählen kann. Vor allem ihre Detektive Miss Marple und Hercule Poirot haben es zu einiger Berühmtheit geschafft und galten lange Zeit zu Recht als Publikumslieblinge. Doch diese Art von Krimi ist irgendwann ein wenig aus der Mode geraten, sie galt als zu betulich und wenig spektakulär – und wurde daher bereits vor Jahrzehnten parodiert.
Das änderte sich 2019, als der Regisseur und Autor Rian Johnson mit Knives Out: Mord ist Familiensache eine wilde Mischung aus Parodie und Hommage an diese „Häkelkrimis“ geschaffen und damit einen Nerv getroffen hat. Plötzlich war die Mördersuche im entlegenen Landhaus wieder in und die Fortsetzung beschlossene Sache. Doch diese hat sich – für einen irre hohen Preis – dann Netflix geschnappt, und die Kinos haben das Nachsehen. Weihnachten wurde der zweite Teil dann herausgebracht, und das Drehbuch ist für den Oscar nominiert.
Glass Onion: A Knives Out Mystery
Der Tech-Milliardär Miles Bron (Edward Norton) lädt inmitten der Pandemie seine alten Freunde Birdie Jay (Kate Hudson), Duke Cody (Dave Bautista), Claire Debella (Kathryn Hahn) und Lionel Toussaint (Leslie Odom Jr.) auf seine griechische Insel ein. Auch Andi Brand (Janelle Monáe) erhält eine Einladung, obwohl Miles sie vor einigen Monaten aus der gemeinsam gegründeten Firma herausgeworfen hat, und wie sie scheinen auch alle anderen ein Motiv zu haben, den Milliardär ins Jenseits zu befördern, weshalb die Idee, in einem Spiel die Ermordung von Miles aufzuklären, nicht unbedingt als genialer Einfall zu bewerten ist. Als dann auch noch der exzentrische Privatdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) auf der Insel auftaucht, obwohl Miles ihn nicht eingeladen hat, scheint es, als würde einer der Gäste sein eigenes Spiel treiben …
Benoit Blanc ist keine sonderlich originelle Figur, sondern eine parodistisch angehauchte Version von Hercule Poirot, ein stets makellos gekleideter, schrulliger Ermittler mit einem exotischen Akzent. Daniel Craig hat sichtlich Freude an der Darstellung dieser Figur, bietet sie ihm doch genügend Raum für komödiantische Momente und eine Extravaganz, die in einem anderen Kontext schnell lächerlich aussehen würde.
Natürlich passt auch das Umfeld zu Blancs Auftreten und Wesen, denn wie schon im ersten Teil wimmelt es auch hier vor ungewöhnlichen und übertrieben gezeichneten Figuren. Vor allem Duke Cody, der als Männerrechtsaktivist und YouTuber martialische Auftritte hinlegt, aber immer noch bei seiner Mutter wohnt, wird gnadenlos der Lächerlichkeit preisgegeben, ebenso wie Birdie, die entweder aus Dummheit oder latentem Rassismus ständig das Falsche sagt und viele Dinge erst mit einiger Verzögerung kapiert – was von beiden Schauspielern kongenial dargestellt wird. Andererseits muss man sagen, dass es in letzter Zeit etliche satirische Filme gegeben hat, in denen Tech-Milliardäre und Influencer der Lächerlichkeit preisgegeben wurden (etwa Don’t Look Up). Irgendwann ist auch dieser Gag ein wenig schal geworden.
Es gibt vieles, das man an dieser Fortsetzung mögen kann, gerade der Anfang, der mit seiner Fülle von Figuren zwar etwas behäbig und unübersichtlich inszeniert ist, gleichzeitig aber eine Menge charmanter Gags am Rande abliefert. Auch die Ankunft auf der Insel ist nicht nur wunderschön fotografiert, sondern mit ihren zahlreichen amüsanten Details auch toll umgesetzt.
Die spielerische Suche nach dem Mörder von Miles, die zur Unterhaltung gedacht war und auf die der Milliardär so ungemein stolz ist, wird von Blanc jedoch schon nach kurzer Zeit als kindisch und lächerlich einfach enttarnt. Und diese Kritik, die er äußert, gilt im Grunde auch für den gesamten Film. Verglichen mit dem bis zum Schluss rätselhaften und interessanten ersten Teil, geht der Fortsetzung nach dem ersten Drittel die Luft aus.
Immerhin gibt es zwei unvorhergesehene Twists, die ein bisschen Neugier wecken, dazwischen liegen jedoch endlos lange und teilweise recht langweilige Rückblenden, in denen das bisher Gezeigte noch einmal aus einer anderen Perspektive aufgerollt wird. Das hätte man auch etwas kürzer erzählen können, denn so ist der Film mit seinen 140 Minuten leider viel zu lang. Misslungen ist, von einigen netten Einfällen abgesehen, leider auch der Showdown, der unglaubwürdig und kein bisschen spannend ist. Und man muss nicht der beste Detektiv der Welt sein, um spätestens nach der Hälfte des Films zu wissen, wer der Mörder ist.
Trotz herrlich schrulliger Figuren und zahlreicher witziger Details ist die Fortsetzung leider nicht so gelungen wie der erste Teil. Schuld daran sind nicht die exzellenten Darsteller, sondern eine Geschichte, die etwas zu selbstverliebt und zu wenig originell, dafür aber zu leicht zu durchschauen ist. Hoffentlich wird der geplante dritte Teil besser.
Note: 3