Der Mann mit der Todeskralle

Bleiben wir in den Siebzigerjahren und beschäftigen wir uns mit einem weiteren Klassiker jener Zeit, der gleichzeitig ein Klassiker des Martial-Arts-Genres ist. Wie Steve McQueen, mit dem er eng befreundet war, ist sein Hauptdarsteller Bruce Lee eine Legende, deren Namen man selbst dann kennt, wenn man nicht weiß, in welchen Filmen er mitgewirkt hat. Und in seinem Fall sind es eine Menge Filme, wenn man bedenkt, dass er aus einer Schauspielerfamilie stammt und bereits mit drei Monaten zum ersten Mal vor einer Kamera stand. Oder wohl eher lag.

Ein Star wurde er aber erst in seinen Zwanzigern, als er bereits ein Kung-Fu-Meister war (und der Cha-Cha-Cha-Meister von Hongkong, aber das ist eine andere Geschichte), von dem damals noch kaum einer je gehört hatte. Entdeckt wurde er von einem Hollywood-Friseur bei einer Karatemeisterschaft, auf der er seine Kampfsportart mit dem berühmten, aus sehr kurzer Entfernung durchgeführten One-Inch-Punch vorstellte und damit Begeisterungsstürme auslöste. Dieser empfahl ihm einen Produzenten, der ihn als Kato in den TV-Serien Batman und Die grüne Hornisse besetzte. Letztere war vor allem in Hongkong so beliebt, dass man sie dort in Die Kato-Show umbenannte und Bruce Lee fortan lukrative Filmangebote aus Asien bekam.

Als sein berühmtester Film, der erste in den USA produzierte Martial-Arts-Film, in die Kinos kam und eine Kung-Fu-Welle unter den Teenagern entfachte, war Bruce Lee jedoch bereits tot. Die Umstände seines Todes sind ganz geklärt, aber vermutlich starb er aufgrund von Komplikationen in der Folge einer längeren Kortisonbehandlung, der er sich unterzogen hatte, um – gegen den Rat der Ärzte – weiterhin trainieren zu können. Man kann also sagen, dass ihn das umbrachte, was er liebte. Lee wurde nur 32 Jahre alt.

Der Mann mit der Todeskralle

Lee (Bruce Lee) gehört einem Shaolin-Tempel in Hongkong an und ist ein Meister der Kampfkunst. Ein Abtrünniger dieser Gemeinschaft, Han (Shih Kein), führt nun ein Leben als Verbrecher und ist daher ins Visier der britischen Behörden geraten. Diese bitten Lee, an einem regelmäßig von Han veranstalteten Wettkampf teilzunehmen, der auf dessen Privatinsel stattfindet, um dort nach dem Verbleib einer verschollenen Agentin zu forschen und Hans Machenschaften aufzudecken. Lee nimmt den Auftrag aber erst an, nachdem er von seinem Vater erfahren hat, dass einer von Hans Leibwächtern für den Tod seiner Schwester verantwortlich ist.

Offiziell wird Michael Allin als Autor des Films genannt, doch Bruce Lee scheint viel zu der Geschichte beigetragen zu haben, auch über die Choreografie der Kampfszenen hinaus. Schon auf den ersten Blick sind die Parallelen in der Story zu den James-Bond-Filmen offensichtlich: Ein Mann in geheimer (Regierungs-)Mission wird auf die Privatinsel eines Superschurken geschickt, um seine Machenschaften zu enttarnen. Nicht sehr originell, vor allem weil schon zu Beginn alle Verbrechen Hans auflistet werden und Lee im Grunde nicht mehr viel zu ermitteln hat.

Vielleicht wurde die Geschichte auch deshalb um zwei weitere wichtige Figuren erweitert: Roper (John Saxon) und der Schwarze Williams (Jim Kelly) nehmen als Amerikaner an dem Turnier teil und geraten ebenfalls in die Fänge Hans, der sie zu korrumpieren versucht. Für die damalige Zeit war es höchst ungewöhnlich, einen asiatisch-stämmigen Hauptdarsteller zu haben und eine der beiden wichtigsten Nebenrollen mit einem Schwarzen zu besetzen.

Die wahre Bedeutung des Films liegt jedoch in den hervorragend choreografierten Kampfszenen, die zwar mehrheitlich erst gegen Ende auftauchen, aber ungemein fesselnd sind. Vor allem der Showdown im Spiegelkabinett gehört zu den Höhepunkten nicht nur des Martial-Arts, sondern auch des Action-Genres. Kein Wunder, dass danach alle Welt wild auf Kung Fu war.

Aus heutiger Sicht kann man jedoch einiges an der Produktion bemängeln: Die Story ist nicht wirklich originell, das Frauenbild unterirdisch, und Bruce Lee ist kein begnadeter Schauspieler. Sogar die Kampfszenen wirken mitunter unfreiwillig komisch, zum einen wegen der völlig übertriebenen Klatschgeräusche (ja, ich weiß, das gehört dazu, aber es klingt oft wie eine Domina auf Speed), zum anderen wegen Lees begleitenden Schreien, die gelegentlich an kreischende Hühner erinnern. Das Kampfhuhn von Hongkong. Wäre vielleicht ein guter Titel für eine Parodie. Und wer die furchtbare Synchronisation mit ihren platten Sprüchen und Anzüglichkeiten, die – auch das ist natürlich bekannt – in den Siebzigern überstrapaziert wurden, verbrochen hat, sollte mit Berufsverbot belegt werden. Die hatte schon fast das Niveau von Die Zwei.

Alles in allem ein Klassiker, den man – vor allem wegen des fulminanten Finales – gesehen haben sollte, der aber wie viele historische Filme viel von seiner Ausstrahlungskraft und seinem Einfluss auf den Zuschauer verloren hat.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.