Fast zehn Jahre lang stand dieser Film auf meiner Watchliste. Der Grund dafür war der Trailer, an den ich mich noch vage erinnere und der auch visuell überzeugen konnte, aber eine allzu kitschige Story suggerierte, von einer Frau, die sich in einen flüchtigen Verbrecher verliebt.
Wahrscheinlich hätte ich mir bei dieser Prämisse den Film nie angesehen, aber in den Hauptrollen spielen Kate Winslet und Josh Brolin, und als ich neulich etwas erkältet war, dachte ich mir, ein bisschen Kitsch passt jetzt ganz gut. Zusammen mit einem heißen Tee gegen den kratzenden Hals. Außerdem reiht sich der Film sehr gut in meine kleine Kate-Winslet-Retrospektive mit Liebesdramen ein. Und Valentinstag ist diese Woche ja auch.
Labor Day
Adele (Kate Winslet) ist alleinerziehende Mutter des 13jährigen Henry (Gattlin Griffith) und leidet unter depressiven Stimmungen. Ihr Sohn nimmt an, dass sein Vater (Clark Gregg) ihr das Herz gebrochen hat, als er sie wegen einer anderen verließ, dass sie sogar den Glauben an die Liebe selbst verloren hat. Deshalb kümmert er sich besonders rührend um sie. Eines Tages spricht sie ein Fremder beim Einkaufen kann und bittet sie nachdrücklich um Hilfe: Frank (Josh Brolin) ist ein geflohener Häftling, der sich das Labor Day-Wochenende über bei ihnen verstecken will. Adele lässt sich darauf ein und verliebt sich bald in den Mann, der ebenso gebrochen ist wie sie selbst.
Wer jetzt „Schmonzette!“ denkt, liegt gar nicht mal so falsch. Der Stoff ist tatsächlich etwas kitschig, was auch die in goldenen Spätsommertönen schwelgende Kamera von Eric Steelberg unterstreicht, vom romantischen Score von Rolfe Kent mal ganz zu schweigen. Aber es ist gewissermaßen Edelkitsch, geadelt durch zwei großartige Schauspieler, die der etwas dünnen Geschichte den Anschein von Glaubwürdigkeit verleihen und sogar die eine oder andere Länge im Mittelteil wettmachen.
Wenn man genauer darüber nachdenkt, erscheint Adele wie eine altmodische Frauenfigur: unselbständig, hilflos, lebensuntauglich und gebrochen. Wie Dornröschen wartet sie in ihrem efeubewachsenen Haus auf ihren Prinzen, der schließlich in Gestalt eines flüchtigen Mörders daherkommt. Das hätten sich die Gebrüder Grimm so sicherlich nicht ausgedacht. Dafür aber Joyce Maynard, von der die Romanvorlage stammt. Maynard ist aber keine Autorin von Groschenromanen, sondern eine bekannte Journalistin und Verfasserin von Jugendbüchern und Krimis.
Feministinnen dürften diese Figur hassen, und wirklich glaubwürdig ist sie tatsächlich nicht. Daran ändern auch die Erinnerungsfragmente nichts, die sehr kurzen Rückblenden, in denen sowohl Adeles als auch Franks Vergangenheit beleuchtet werden. Man lernt die beiden Figuren dadurch besser kennen, erfährt, welche Verluste Adele depressiv und so überängstlich werden ließen, dass sie kaum noch das Haus verlässt, und wie Frank im Gefängnis landete. Das ist nicht schlecht erzählt von Drehbuchautor und Regisseur Jason Reitman, der auf diese Weise die im Roman vermutlich ausführlich ausgebreitete Backstory in die Gegenwart überführt, ohne den Handlungsfluss allzu lange zu unterbrechen.
Erzählt wird die Story zudem aus der Sicht des Sohnes, der sein eigenes Bild von der Mutter hat, das von der Wirklichkeit vermutlich stark abweichen dürfte. Was uns präsentiert wird, ist also die verklärte, nostalgisch verbrämte Erinnerung eines liebenden Sohnes an ein Wochenende in den späten Achtzigern, an dem sich sein Leben für immer verändert hat. Der Einfluss von Frank auf Henry in jenen fünf Tagen ist dabei ebenso wenig zu unterschätzen wie jener auf Adele, und auch das ist sehr gut erzählt.
In jeder Beziehung überzeugend ist das Storygerüst dennoch nicht. Man kann zwar die Figuren verstehen, Adeles Schmerz und Franks guten Charakter, doch die Umstände des Kennenlernens werden sehr unglaubwürdig geschildert. Das kann man nicht einmal mit dem Stockholm-Syndrom erklären.
In der Summe ist Labor Day genau das, was sein Trailer verkauft: Ein warmherziges Märchen über die Kraft der Liebe, hervorragend gespielt, mit zahlreichen bekannten Gesichtern in diversen Nebenrollen, und einem melodramatischen, aber auch schönen Ende, das nicht alle Fragen beantwortet und bei dem man sogar gegen seinen Willen ein Tränchen verdrückt. Und an manchen Tagen brauchen wir genau das.
Note: 3