Titanic

Unfassbare 25 Jahre ist es her, seit der Film in die Kinos kam, und je mehr solcher Jubiläen zu feiern sind, desto älter dürfen wir, die wir diese Filme damals im Kino gesehen haben, uns fühlen. Ich kann mich noch daran erinnern, Titanic als junger Filmstudent zusammen mit einigen Freunden von der Filmakademie in Ludwigsburg gesehen zu haben, weiß noch, wie wir anschließend über die grandiosen Spezialeffekte diskutiert und uns über die doch eher magere Geschichte amüsiert haben.

Titanic ist, ebenso wie die Der Herr der Ringe-Trilogie oder Avatar, ein Kultfilm, der sich tief ins Gedächtnis des Publikums eingegraben hat, weshalb es unzählige persönliche Geschichten über das erste Seherlebnis gibt. So etwas kann nur das Kino vermitteln, aber keine Streamingserie. Deshalb ist es schön, dass es zu solchen Jubiläen Wiederaufführungen gibt, so dass man in Erinnerungen schwelgen und den Jüngeren die Möglichkeit geben kann, Klassiker auf der großen Leinwand zu erleben, für die sie schließlich konzipiert wurden. Auch wenn wir uns dabei verdammt alt fühlen.

Titanic

Als der Schatzsucher Brock Lovett (Bill Paxton) im Wrack der Titanic einen Safe öffnet, hofft er, darin einen wertvollen blauen Diamanten zu finden, fördert jedoch nur die Aktzeichnung einer jungen Frau zutage – die jenes Schmuckstück um den Hals trägt. Das Fernsehen berichtet über diese Entdeckung, und bei Lovett meldet sich die hundertjährige Rose Calvert (Gloria Stuart), die behauptet, jene Frau zu sein. Sie erzählt Lovett ihre Geschichte, wie sie 1912 als junge Frau (Kate Winslet) an Bord ging, um zusammen mit ihrem Verlobten Cal Hockley (Billy Zane) und ihrer Mutter (Frances Fisher) nach Amerika zu reisen. Die freiheitsliebende Rose fürchtet sich jedoch vor dem dominanten Cal und sieht dieser Verbindung mit Schrecken entgegen, hat aber keine Wahl, da ihre Familie bankrott ist. Als sie sich aus Verzweiflung das Leben nehmen will, spricht ihr der Amerikaner Jack (Leonardo DiCaprio) Mut zu, und die beiden verlieben sich.

Es gibt nicht wenige Menschen, die der Meinung sind, dass man vor dem Hintergrund einer großen Tragödie keine banale Liebesgeschichte erzählen sollte. Als Beispiel werden dann gerne die Anschläge vom 11. September 2001 angeführt, und tatsächlich klingt das im ersten Moment pietätslos, aber wenn man genauer darüber nachdenkt, ist das Argument eher schwach. Warum sollte man nicht eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund einer Katastrophe drehen? Die Tragik der Umstände kann einer ansonsten simplen Love-Story Tiefe verleihen oder einem banalen Moment eine größere Bedeutung.

Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Titanic ein ziemlicher Schmachtfetzen ist. Aber das gilt für Vom Winde verweht auch, und dem Film werden keine solchen Vorwürfe gemacht (dafür allerdings andere). Auch bei der inzwischen dritten Sichtung stört mich weniger die Seichtheit der Liebesgeschichte, sondern vielmehr das übertrieben melodramatische Finale mit einer wilden Verfolgungsjagd durch ein sinkendes Schiff. Cal ist zwar ein hinterhältiger, brutaler Kerl, aber kein Idiot, und dass er in diesem Moment Jagd auf das Paar macht, ist eine Krücke, die das spannungsgeladene Finale nicht braucht. Abgesehen von der Tür-Diskussion, die völlig überflüssig ist, weil der Autor James Cameron Jacks Tod wollte und für die Tragik brauchte, ist dies jedoch das größte Manko.

Katastrophenfilme dieser Art leben vor allem von ihrem Finale, von der Zerstörung oder dem Untergang. Jedwede Story, die davor oder parallel dazu erzählt wird, schrumpft angesichts dieser entfesselten Dramatik zu einem unbedeutenden Nichts zusammen. Cameron bedient sich daher ungeniert gleich bei den üblichen Stereotypen: Rose ist eine rebellische Schönheit aus gutem, aber verarmtem Hause, Jack der gutaussehende Held mit der künstlerischen Ader, die ihn über die Unterschicht, aus der er stammt, erhebt, wodurch er zu einer akzeptablen Partie für die Heldin wird. Oder würde die Geschichte auch funktionieren, wenn er Klempner wäre? Durch den Klassenunterschied, der 1912 noch viel ausgeprägter war, bekommt das Ganze den Nimbus einer verbotenen Liebe. Den Rest steuern das Patriarchat und toxische Männlichkeit bei.

Diese, sagen wir mal, Schlichtheit der Geschichte sorgt aber gerade in der ersten Hälfte auch für einige Längen. Das liegt einerseits an der etwas zu langen Rahmenhandlung, die uns etwas umständlich in die eigentliche Story führt, am Ende aber geschickt zur Steigerung der Emotionen dient. Und es ist vor allem dieses Ende, das in Erinnerung bleibt. Wie bei allen großen Liebesgeschichten. Andererseits vermag es Cameron als Autor auch nicht, fesselnde, vielschichtige Figuren zu kreieren. In seinen Büchern herrscht leider immer ein erschreckend eindimensionales Schwarz-Weiß-Denken vor.

Immerhin schafft es der Regisseur Cameron geschickt, den Zuschauer mit imposanten Schauwerten bei der Stange zu halten, bis der Untergang endlich beginnt. Und damit der mit Abstand sehenswerteste Part des Films. Es ist bekannt, dass Cameron sich akribisch an die tatsächlichen Abläufe beim Untergang gehalten hat, und diese historische Akkuratesse zahlt sich aus. Obwohl man weiß, was passiert, ist es immer noch bis zur letzten Minute spannend und bewegend.

Alles in allem kann man sagen ist Titanic sehr gut gealtert. Seine 25 Jahre merkt man ihm weitgehend nicht an. Anders als uns Zuschauern, aber das ist eine andere Geschichte.

Note: 2

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.