Bei manchen Filmen weiß man einfach nicht, ob man sie sich anschauen soll oder nicht. Old ist so ein Fall: Der Trailer verrät viel zu viel, weckt aber auch die Neugier. Die Story wirkt jedoch dünn, als wäre eine Kurzgeschichte aus einer Horror-Anthologie verfilmt worden, und man ahnt, dass sie kein gutes Ende nehmen wird. Im Grunde hat man das Gefühl, bereits das Beste gesehen zu haben. Aber M. Knight Shyamalan weiß stets mit einer raffinierten Inszenierung zu überzeugen, und auch wenn er – unfairerweise – immer noch an seinem Meisterwerk The Sixth Sense gemessen wird, haben seine Geschichten stets das gewisse Etwas, das sie von anderen absetzt.
Am Ende habe ich ihn mir deshalb doch angesehen, allerdings ohne viel von ihm zu erwarten.
Old
Guy (Gael Garcia Bernal) und seine Frau Prisca (Vicky Krieps) fahren mit ihren Kindern in ein abgelegenes Resort in den Tropen. Es soll ein letzter Familienurlaub werden, denn das Ehepaar will sich scheiden lassen, außerdem wurde bei Prisca eine Krankheit diagnostiziert. Zusammen mit dem Arzt Charles (Rufus Sewell), dessen Frau Chrystal (Abbey Lee), seiner Mutter (Kathleen Chalfant) und seiner kleinen Tochter, fahren sie zu einer abgelegenen Bucht, die ihnen vom Hotelmanager (Gustaf Hammarsten) empfohlen wurde. Dort treffen sie auf den Rapper Mid-Sized Sedan (Aaron Pierre), und später gesellen sich noch die an Epilepsie leidende Patricia (Nikki Amuka-Bird) und ihr Mann Jarin (Ken Leung) hinzu. Die Bucht ist traumhaft, doch schon bald stellen sie fest, dass die Zeit hier schneller vergeht als gewohnt.
Carpe diem. Diese, von Horaz geprägte Mahnung, den Augenblick zu genießen und keinen Gedanken an das Morgen zu verschwenden, wird gleich mehrfach im Film zitiert und ist eine passende Botschaft. Auch der antike Dichter war der Meinung, dass es keine Rolle spielt, ob uns nur noch ein Tag oder ein halbes Jahrhundert bleibt, wir leben nur im Augenblick. Der Film greift aber auch den Gedanken auf, dass die Zeit gefühlt immer schneller vergeht, je älter man wird. Das Leben ist lang, aber es verfliegt wahnsinnig schnell, und wir stehen inmitten dieses Strudels aus alltäglichen Ereignissen und wünschen uns, endlich einmal die Zeit anhalten zu können und innezuhalten.
Grundsätzlich ist die Idee, dass die Zeit an einem, noch dazu so traumhaft schönen Ort, viel schneller vergeht als überall sonst, bestechend. Selbst ohne den Trailer zu kennen, kann man sich sofort einige Situationen ausmalen, in denen dieser Umstand für Erschrecken und Erstaunen sorgt. Und genauso passiert es auch: Kinder werden furchtbar schnell groß, Menschen, die gerade noch im besten Alter waren, bekommen Falten und haben Schwierigkeiten, zu sehen und zu hören.
Aber so faszinierend diese Idee auch ist, sie trägt keinen Film von knapp zwei Stunden Laufzeit. Man kann sich daher denken, dass die Geschichte vor allem davon handelt, wie die Gruppe zufällig zusammengewürfelter Fremder versucht, ihrem Schicksal und der verfluchten Bucht zu entkommen. Natürlich dauert es ein wenig, bis sie überhaupt erkannt haben, was um sie herum passiert, aber dann werden zuverlässig die ersten Fluchtversuche unternommen. Diese sind zum Teil recht spannend umgesetzt, in ihrer Zahl aber naturgemäß recht begrenzt. Denn so viele Möglichkeiten bieten sich in der Bucht nicht.
Eine weitere Option wäre, herauszufinden, wer sie in diese Situation gebracht hat und warum sie permanent observiert werden, aber auch das ist aufgrund ihrer isolierten Lage kaum möglich. So erschöpfen sich nach einiger Zeit die Handlungsmöglichkeiten der Figuren, die danach auf sich selbst zurückgeworfen werden. Funktioniert der Film bis zu diesem Zeitpunkt überraschend besser als angenommen, lässt er dann rapide nach.
In der zweiten Hälfte, in der die Menschen entweder bereits tot sind oder aufgehört haben, gegen ihr Geschick zu wüten, dreht sich die Geschichte vor allem um Guy und Prisca, ihre Ehe und die Frage, was zu ihrem Scheitern geführt hat. Hier ähnelt die Story jener von Katastrophenfilmen, in denen die Figuren ebenfalls häufig versuchen, ihre Ehe zu therapieren oder einen lange schwärenden Konflikt mit einem Familienmitglied zu klären, während um sie herum die Welt untergeht. In diesem Fall wäre das sogar ein interessantes Handlungselement gewesen, schließlich wissen die gefangenen Menschen in der Bucht, dass ihre Zeit knapp bemessen ist.
Doch leider treten hier die Defizite Shyamalans als Autor deutlich zu Tage. So visuell ansprechend er die Ereignisse in der Bucht, den beschleunigten Alterungsprozess oder die Fluchtversuche auch in Szene zu setzen vermag, bei den stillen Szenen versagt er. Dabei hätten sich hier starke, emotionale Momente angeboten, die ansatzweise zwar vorhanden sind, aber leider insgesamt sehr oberflächlich bleiben.
Auch das Finale, das spät kommt, aber erwartungsgemäß abläuft, kann nicht überzeugen. Es ist weder so spannend wie die besten Szenen in der ersten Hälfte noch so raffiniert, dass man überrascht wäre. Dass man sich jedoch weder über die triviale Auflösung noch über die offensichtlichen Logikfehler ärgert, liegt wohl vor allem daran, dass man die gesamte Geschichte von Anfang an nicht wirklich ernst nehmen kann.
Note: 3-