36 Grad. So heiß sollte es in Vernal werden, und wir hatten einige Wanderungen geplant, zum Teil in großer Höhe. Aus diesem Grund beschlossen wir, sehr früh von Glenwood Springs aufzubrechen und in den nordwestlichsten Zipfel von Colorado zu fahren. Der Weg führt durch das Tal des Colorado, der hier eher gemächlich dahinplätschert, vorbei an zahlreichen Ranches und Gewerbebetrieben. Danach ging es über eine Hochebene weiter ins Tal des White River.
Unser Ziel war das Dinosaur National Monument, das sich sowohl in Colorado als auch im benachbarten Utah befindet. Der Teil, der noch in Colorado liegt, ist weitgehend für den Verkehr gesperrt. Es führt jedoch eine Straße zur Harpers Corner auf 2300 Metern Höhe, von der aus man – nach einer kleinen Wanderung – sowohl fantastische Ausblicke auf den Whirlpool Canyon mit dem Green River hat als auch auf Echo Park, ein Tal, das vom wild schäumenden Yampa River durchflossen wird. Das Besondere ist, dass man hier die einzelnen geologischen Schichten erkennen kann, ähnlich wie bei einer aufgeschnittenen Torte.
Bevor wir dort ankamen, gerieten wir jedoch in einen ungewöhnlichen Stau. Als wir um eine Kurve bogen, stand plötzlich eine Rinderherde vor uns auf der Straße. Einige Cowboys und -girls auf Pferden sorgten dafür, dass die Tiere beieinanderblieben, konnten aber nicht verhindern, dass wir von ihnen eingekreist wurden. Mit einiger Mühe trieben sie die Tiere schließlich auseinander, so dass wir weiterfahren konnten, und ein bisschen haben wir uns dabei selbst wie Cowboys gefühlt – Cowboys auf vier Rädern. Mit Dinosauriern hatten wir ja gerechnet, aber Kühe?
Obwohl nur drei Kilometer lang und ohne größere Steigungen, war die Wanderung bei Harpers Corner enorm anstrengend, was zum einen an der großen Hitze lag, zum anderen an der Höhe. Wir hatten beide mit Kreislaufproblemen zu kämpfen und verbrauchten eine Menge Wasser. Es war die Anstrengung aber auf jeden Fall wert, denn der Blick vom finalen Aussichtspunkt ist atemberaubend. Neben dem Canyon of the Yellowstone und dem Black Canyon of the Gunnison war dies sicherlich das schönste Tal unserer Reise.
Im Anschluss daran ging es wieder hinunter ins Tal, jedoch nicht, ohne unterwegs noch einige Aussichtspunkte anzusteuern. Theoretisch hätten wir noch zwei kleinere Wanderungen machen können, praktisch waren wir zu geschafft dafür. Im Prinzip hätten wir dabei aber immer nur auf dieselben beiden Täler geschaut. Überrascht wurden wir auf dem Rückweg übrigens von einer einzelnen Kuh, die sich an einem Aussichtspunkt im Gebüsch versteckt hatte. Vermutlich vor dem Schlachter.
Am Nachmittag erreichten wir zuerst das überaus patriotische Naples, das entlang der Hauptstraße alle zwanzig Meter eine Fahne an den Laternenpfahl gehängt hatte, und kamen schließlich nach Vernal, das sich voll und ganz den Dinosauriern verschrieben hat: Ein riesiger rosa Dino grüßt am Straßenrand, und weitere Exemplare stehen in den Vorgärten oder prangen auf Häuserfassaden, manche davon posieren sogar mit Maschinengewehren für „family fun“ (was angesichts der vielen Massenschießereien reichlich zynisch ist). Die Einheimischen haben tatsächlich ein Thema für sich entdeckt, was kein Wunder ist, wenn ganz in der Nähe zahlreiche Fossilen gefunden wurden. Doch diese müssen bis zum nächsten Tag warten.
Im Dinosaur National Monument gerieten wir am nächsten Morgen leider an eine ausgesprochen wortkarge und missmutige Rangerin, die uns auf unsere Fragen zu den Wandermöglichkeiten und welche Routen am besten am Vormittag oder zu einem späteren Zeitpunkt begangen werden sollten, nur eine Broschüre reichte und meinte, wir sollten uns selbst informieren. Der Kontrast zum Vortag in Colorado, wo uns ein überaus netter Kollege von ihr mit einer Menge nützlicher Tipps versorgt hat, hätte nicht größer sein können.
Auch sonst hatte ich des Öfteren den Eindruck, dass in diesem Teil des Parks vieles unzureichend gehandhabt wird. Hinweisschilder könnten eindeutiger sein, die Wanderwege besser ausgebaut (auf einem Weg hätten wir glatt eine Machete gebrauchen können), und manche Ankündigungen waren viel zu vollmundig.
Wie im östlichen, gibt es auch im westlichen Bereich des Parks nur eine Straße, die sich von einem Ende zum anderen erstreckt und an der sich einige Aussichtspunkte und Wanderwege befinden. Vor dem Auge des Betrachters liegt eine weite, mit gelbem Gras bewachsene Ebene, durch die sich der Green River schlängelt, und im Hintergrund erheben sich steile Berge mit roten und gelben Schichten, so dass sie mitunter so gestreift aussehen wie eine gewisse Zahnpastasorte. Den meisten Besuchern reicht es, einmal die Straße bis zum Ende zu fahren, die Aussichtspunkte abzuklappern und sich dann den Dinosauriern zu widmen.
Wir fuhren ebenfalls bis zum äußersten Ende des Parks, wo es zwei hübsche Canyons gibt, die man in relativ kurzer Zeit durchwandern kann. Hier bieten sich einige faszinierende Ausblicke auf die zerklüfteten Felswände und ein grasbewachsenes Tal. Dummerweise hat sich Mark G. auf den letzten Meter den Fuß vertreten, was mindestens eine längere Wanderungen eliminierte.
Als wir uns als nächstes die indianischen Petroglyphen anschauen wollten, musste ich daher allein losziehen – und habe prompt die richtige Abzweigung verpasst. Ein Schild hätte hier gute Dienste geleistet, doch leider wird an manchen Orten damit gespart. Selbst ein paar Steine, die den falschen Weg versperren, wären noch eine preiswerte Alternative gewesen.
Natürlich bin ich auch selbst schuld, hätte ich genauer auf den Weg geachtet, wäre mir der Irrtum vielleicht aufgefallen, und als ich auf einem schmalen Felsvorsprung durch ein gigantisches Spinnennetz gelaufen bin, hätte auch das ein Hinweis sein können, dass ich hier falsch bin. Erst als ich fast auf der Spitze des Berges war und noch immer keine Petroglyphen entdeckt hatte, dämmerte mir, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Es wäre beinahe mein letzter gewesen, weil ich um ein Haar abgestürzt wäre. Zum Glück ist noch einmal alles gut gegangen, aber ich war danach vollkommen erschöpft.
Die Region ist, wie schon erwähnt, berühmt für ihre reichen Funde an Fossilien. Der Grund ist ein Flussbett, das vor 145 Millionen Jahren ausgetrocknet ist, woraufhin viele Dinosaurier, die dort lebten, verendeten. Später wurden ihre Knochen bei einer Flut durcheinandergewirbelt und schließlich versteinert. Vor über hundert Jahren wurden sie entdeckt und werden seither ausgegraben. Man hat mehrere hundert Tonnen Fossilen gefunden und an viele Museen im Land verschickt, und noch heute kann man in einer Ausstellungshalle den gigantischen, versteinerten Haufen Knochen bewundern, an dem sich die Archäologen seither abarbeiten. Das Besondere ist, dass hier sowohl etliche Schädel gefunden wurden (was eine Seltenheit darstellt) als auch viele winzige Dinosaurier, deren Knochen man teilweise durch eine Lupe betrachten muss. Obwohl es in der Ausstellung wenigstens ein komplettes Skelett und einige Schädel und andere Knochen gibt, ist die Zahl der Exponate insgesamt eher dürftig. Vielleicht sind wir aber auch mit den falschen Erwartungen herangegangen, nachdem wir 2015 das unglaublich schöne Royal Tyrell Museum im kanadischen Drumheller besichtigt haben.
Wir waren zwar bereits am Ende unserer Kräfte, wollten uns aber den Fossil Discovery Trail nicht entgehen lassen. Im Prinzip führt dieser Weg von der Ausstellungshalle auf einem Hügel zum Visitor Center im Tal und misst lediglich 1,2 Meilen. In der Beschreibung hieß es, man könne hier weitere Fossilien entdecken. Wir trotteten also in sengender Hitze (34 Grad) den Pfad entlang, konnten aber kein einziges Fossil finden. Es gab auch nur drei mögliche Stellen, an denen man etwas hätte sehen können, wenn es bessere Beschreibungen dessen gegeben hätte, was man denn sehen sollte. Die Gestaltung und Beschilderung des Pfads ist so unzureichend, dass man sich die Mühe eigentlich auch gleich hätte sparen können. Auf einem Schild hieß es etwa, dass man hier „möglicherweise“ Fossilien finden könne. Das klingt, als würden wir zu Aushilfs-Paläontologen erklärt, die nach neuen Fundstellen suchen sollen. Zu sehen wären übrigens versteinerte Muscheln gewesen, die auf dem Bild wie regelmäßige Erhebungen auf einem grauen Felsen aussahen. Ein Hinweis auf ihre Größe wäre außerdem hilfreich gewesen, möglicherweise auch eine Lupe.
Das war zum Glück die letzte Enttäuschung an diesem Tag. Man kann als Fazit festhalten, dass der Teil des Monuments, der in Colorado liegt, alle Erwartungen erfüllt hat, toll geführt wird und mit wunderschönen Ausblicken auf eine traumhafte Landschaft aufwartet. Der Teil in Utah besitzt nicht minder schöne Landschaften, ist aber nicht so gut geführt, mit teilweise unzureichend beschilderten Wanderwegen, fehlenden Informationen und übertriebenen Ankündigungen von Attraktionen, die keine sind. Ich will nicht sagen, dass man komplett auf ihn verzichten sollte, denn die Aussichtspunkte entlang der Straße bieten wirklich großartige Panoramen, und wenn man noch nie ein Dinosaurierskelett gesehen hat, kann man auch der Ausstellung etwas abgewinnen.
Ach, und habe ich eigentlich schon die Fliegen erwähnt? Myriaden von ihnen schwirren unentwegt um einen herum, vielleicht nicht so schlimm wie bei einer biblischen Plage, aber unangenehm war es dennoch, denn sie verirrten sich auch ständig ins Auto.
Dies war tatsächlich unser letzter Wandertag (mit 13 Kilometern), denn am nächsten Morgen ging es zurück nach Salt Lake City (bzw. in einen Ort in der Nähe davon), natürlich mit einigen interessanten Stopps auf dem Weg dorthin. Zunächst besuchten wir den Flaming Gorge Dam, an dem der Green River aufgestaut wird. Im Red Canyon Visitor Center konnte man – leider nur durch eine Glasscheibe – auf das tiefe Tal mit dem Fluss hinabblicken, die Wege zu den Aussichtspunkten waren leider gesperrt.
Es hätte noch zwei weitere Punkte mit fantastischen Aussichten auf das Tal gegeben, doch den ersten konnten wir mangels Beschilderung nicht finden, der zweite war nur über eine Schotterstraße zu erreichen, worauf wir verzichtet haben. Zum Glück hatten wir uns entschlossen, den Sheep Creek Loop Scenic Backway zu benutzen, der uns durch ein malerisches Tal geführt hat.
Unser letzter Halt war in Fort Bridger, in dem am Labour Day-Wochenende seit mittlerweile 49 Jahren das Fort Bridger Rendezvous stattfindet. Auf einem riesigen Gelände in der Nähe des Museums und eines Nachbaus des historischen Forts finden sich hier Hunderte Menschen zusammen, um sich als Trapper, Siedler und Indianer zu verkleiden und spielerisch an die Zeit zu erinnern, als der Ort ein Hauptumschlagplatz für Pelze war. Leider war es viel zu heiß, um sich lange in der Zeltstadt aufzuhalten, aber interessant war es allemal.
Damit endete unsere Rundreise. Die nächsten Tage werden wir in Las Vegas verbringen, um uns auszuruhen, bevor es zurück nach L.A. geht. Aber unsere Abenteuer in La-La-Land sind damit noch nicht zu Ende …